: Kommunistische Elemente
■ Die Slowakei gibt sich die Verfassung einer „souveränen Republik“/ Bruch der tschechoslowakischen Verfassung
Berlin (taz) — Vladimir Meciar hält seinen Zeitplan ein. Nachdem der slowakische Ministerpräsident bereits kurz nach seinem Wahlsieg Anfang Juni verkündet hatte, daß der slowakische Nationalrat „Ende August“ die slowakische Verfassung verabschieden würde, konnte er am Dienstag den erfogreichen Vollzug melden. In namentlicher Abstimmung votierten 114 der 150 Parlamentarier für einen Entwurf, an dem angesichts von 400 Änderungsvorschlägen bis zur letzten Minute gefeilt worden war. Für die notwendige Drei-Fünftel-Mehrheit genügten dem Vorsitzenden der „Bewegung für eine demokratische Slowakei“ (HZDS) die Stimmen der Abgeordneten seiner eigenen Partei, der Abgeordneten der „Slowakischen Nationalpartei“ (SNS) sowie der Mehrzahl der Parlamentarier der exkommunistischen „Partei der demokratischen Linken“ (SDL). Gegen die Verfassung stimmte allein die „Christdemokratische Bewegung“ (KDH) des früheren Ministerpräsidenten Jan Carnogursky, die 14 ungarischen Parlamentsabgeordneten hatten unter Protest vor der Abstimmung den Plenarsaal verlassen.
Auf Widerspruch der Ungarn stieß zum einen die Abänderung einer Formulierung in der Präambel. Während diese ursprünglich mit den Worten „Wir, die Bürger der Slowakischen Republik“ eingeleitet worden war, heißt es nun „Wir, das slowakische Volk“. Zum anderen protestierten die 14 Abgeordneten dagegen, daß das Slowakische zur alleinigen Amtssprache erhoben wird. Bisher hatte in der Südslowakei, wo rund 600.000 UngarInnen leben, das Ungarische auch im Behördenverkehr verwendet werden dürfen.
Nachdem der Nationalrat bereits am 17.Juli eine „Souveränitätserklärung“ verabschiedet hatte, ist die Annahme der Verfassung nun der zweite wichtige Schritt auf dem Weg in die Unabhängigkeit der Slowakei. Unter Verfassungsrechtlern ist jedoch umstritten, welche verfassungsrechtlichen Konsequenzen mit der Verabschiedung verbunden sind. So vertritt Prag die Ansicht, daß durch die slowakische die tschechoslowakische Verfassung außer Kraft gesetzt wird. Die Verabschiedung müsse somit als verfassungswidriger Austritt aus der Föderation betrachtet werden. Die Slowaken betonen dagegen, daß ihre Verfassung zwar diejenige der CSFR ablösen soll, man bis zur Auflösung der Tschechoslowakei am 1.Januar 1993 jedoch bestimmte Artikel, die einen Bruch der Föderalverfassung bedeuten könnten, außer Kraft setzen wird. Im Zentrum der Verfassungskritik stehen daneben die Kompetenzen des zukünftigen Präsidenten der Slowakei. So sei es mit dem System einer parlamentarischen Demokratie unvereinbar, daß dieser das Parlament auflösen kann — zugleich jedoch auch von ihm abberufen wird.
Nachdem die Anhänger des „freien Marktes“ es sich zum Lieblingssport gemacht haben, das Wirtschaftsprogramm Meciars als „sozialistisch“ zu entlarven, haben sie nun auch in der Verfassung „kommunistische Elemente“ entdeckt. Dem „staatlichen Sektor“ würde zu große Bedeutung beigemessen, unmöglich sei es, das „Recht auf einen ausreichenden Lebensstandard“ festzuschreiben. Statt dessen könne der Staat allein ein „System, in dem jeder Bürger seine Aktivitäten entfalten kann“, garantieren. Gesamturteil: Allzu deutlich zeige die Verfassung die „sehr starken Ambitionen“ der Regierung, die „Gesellschaft zu lenken“. Sabine Herre
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