Dollarkurs noch immer im freien Fall

■ Zum Fixing notierte die US-Devise mit dem neuen historischen Rekordtief 1,3870/ In Deutschland wächst der Druck auf die Bundesbank, die Leitzinsen zu senken/ Zentralbankrat tagt heute

Frankfurt/Berlin (AP/dpa/taz) — Der freie Fall des Dollarkurses hat sich gestern fortgesetzt. Mit 1,3870 Mark hat die US-Währung gestern mittag bei der Festsetzung des amtlichen Mittelkurses (Fixing) in Frankfurt einen weiteren Pfennig eingebüßt und ein neues Rekordtief erreicht.

Die Bundesbank griff zum Fixing nicht ein. Wenn die Zentralbanken sich der Talfahrt nicht bald mit neuen konzertierten Stützungskäufen entgegenstemmten, könne der Dollar noch um mehrere Pfennig fallen, sagten Devisenhändler in Frankfurt. Für eine Intervention der Zentralbanken spreche auch, daß das Europäische Währungssystem (EWS) aus den Fugen geraten könnte. Bereits am vergangenen Wochenende hatte es eine Krisensitzung des EWS- Währungsausschusses gegeben, weil die schwächeren europäischen Währungen Lira, französischer Franc und britisches Pfund durch die Aufwertung der europäischen Leitwährung D-Mark auf den Devisenmärkten in Abwertungsdruck geraten sind.

Der weitere Dollar-Einbruch dürfte gestern allerdings auch damit zusammengehangen haben, daß die Devisenspekulanten weltweit austesten wollten, wie lange die Zentralbanken dem Verfall der US-Währung zuschauen würden.

Als sachlicher Grund für die Abwärtsbewegung des Dollar gilt die Zinsschere zwischen den niedrigen Leitzinsen in den USA und den hohen Leitzinsen in der Bundesrepublik. Der anhaltende Dollarverfall in dieser Woche dürfte erheblichen Druck auf die Bundesbank ausüben, deren entscheidendes Gremium Zentralbankrat heute zu seiner regulären Sitzug zusammentritt.

Außerdem mehren sich in der Bundesrepublik die Stimmen, die von der Bundesbank eine Zinssenkung fordern. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin argumentierte gestern in seinem jüngsten Wochenbericht für niedrigere Zinsen. Den Währungshütern könne selbstverständlich nicht geraten werden, einen binnenwirtschaftlich vernünftigen Kurs mit Rücksicht auf das Ausland aufzugeben. „Doch wenn die Rezessionsgefahr größer und die Inflationsgefahr kleiner wird, sollte die Bundesbank nicht zögern“, schreiben die Wirtschaftswissenschaftler.

Das DIW geht von einer derzeit „rezessiven Tendenz“ in der deutschen Wirtschaft aus, denen mit einer „leichteren“ Geldpolitik begegnet werden könne. Die These der Bundesbank, daß sich die Bankkreditausweitung im Rahmen inländischer Ersparnisse halten müsse, unterstützt das DIW nicht. Die ungebrochen starke Nachfrage nach Krediten halten die Forscher nicht für eine nachhaltige Überforderung des gesamtdeutschen Produktionspotentials. Sie hänge mit der seit einem Jahr andauernden Abschwächung der westdeutschen Konjunktur zusammen sowie den anhaltenden Anpassungsschwierigkeiten in der ostdeutschen Wirtschaft.

Die Ausweitung der Geldmenge, so daß DIW, habe derzeit auch keine inflatorische Wirkung. Der Versuch, „über eine geldpolitisch herbeigeführte Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage den Preisauftrieb einzudämmen, könne theoretisch erfolgreich sein. Wesentlicher seien aber die „realen“ Konsequenzen. „Eine derart restriktive Politik untergräbt die Basis für den Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft, nämlich die Investitionen, den Kapitalimport, das Wachstum der westdeutschen Wirtschaft.“

Der Zentralbankrat wird sich heute ebenfalls damit auseinandersetzen müssen, daß die Hochzinspolitik das erklärte Ziel, die Geldmenge einzugrenzen, nicht erreicht. Die teuren Kredite werden nämlich in Ostdeutschland von der Bundesregierung heruntersubventioniert — mit Geld, daß sie sich über teure Kredite beschaffen muß. Und mit dem Ergebnis, daß die Staatsverschuldung zunimmt, die Inflation in der Folge auch. Donata Riedel