Protest gegen Gift im Untergrund

■ Greenpeace sieht Thüringer Grundwasser gefährdet/Unkalkulierbarer Giftcocktail

Berlin (taz) — Eine fahrlässige Gefährdung des Trinkwassers wirft die Umweltschutzorganisation Greenpeace dem thüringischen Umweltminister Hartmut Sieckmann vor. Der hat jetzt eine von den Umweltschützern am 24. Juni verschlossene Anlage zur Verpressung von flüssigem Sondermüll in eine Tiefe von 1.500 Metern wieder öffnen lassen.

Mit einer landesweiten Unterschriftenaktion will Greenpeace die Bevölkerung gegen die Tiefen-Sondermülldeponie in Kirchheiligen bei Erfurt mobilisieren. Die verantwortlichen Behörden sowie die Betreiberfirma der Deponie wurden von den Umweltschützern wegen des Verdachts der strafbaren Abfallbeseitigung angezeigt. Da die verpreßten Gifte sich in den tiefen Erdschichten jeder Kontrolle entzögen, verstoße das Verfahren außerdem gegen den Grundsatz, daß gefährliche Stoffe jederzeit rückholbar sein müssen.

Erneut forderte Greenpeace Einsicht in ein im Umweltministerium unter Verschluß gehaltenes Gutachten über die Tiefenverpressung. Jörg Neumann, Wasserexperte der Organisation: „Aus dem Zurückhalten relevanter Umweltinformationen schließen wir, daß Minister Sieckmann den Beschwichtigungen über eine Ungefährlichkeit der Tiefenverpressung selbst nicht glaubt.“ Neumann verweist auf Untersuchungen in den USA, denen zufolge durch diese Form der Abfallbeseitigung im Jahre 1989 in mindestens 23 Fällen Trinkbrunnen vergiftet worden seien.

In Kirchheiligen wird seit 1963 durch ein 1.500 Meter langes Rohr Giftmüll in eine früher mit Erdgas gefüllte unterirdische Blase geleitet. Laut Greenpeace sind bislang 75.000 Kubikmeter Lösungsmittel, Agrargifte, Altöle und Abfallsäuren dort eingelagert worden. Dadurch sei ein unkalkulierbarer Giftcocktail entstanden. Aufgrund hydraulischer Verbindungen zur Oberfläche könnten jederzeit Chemikalien aus dem unterirdischen Speicher in das wesentlich höher liegende Grundwasser gelangen. Zudem ist das Gebiet um Kirchheiligen nach Ansicht der Umweltschützer geologisch nicht stabil. Udo Bünnagel