Gaudi mit Toni, Cäsi und Leni

■ Brillanter Nonsens: Wally Bockmayers Gastspiel Cleopatra und der Fluch der Tempelhuren im Schmidt

im Schmidt

Wer eine voluminöse Frau auf Kölsch herumalbern hört, fühlt sich unweigerlich an die TV-Nervensäge Hella von Sinnen erinnert. Daß dies aber nicht unbedingt so sein muß, bewies Gabi Küster vom Kölner Filmdosen-Ensemble bei der Premiere des Gastspiels von Wally Bockmayers Cleopatra und der Fluch der Tempelhuren im überfülltenSchmidt–Theater.

Regisseur Wally Bockmayer, bekannt durch Geierwally, entführt die Zuschauer ins Ägypten der klassischen Antike, als Julius Cäsar und Markus Antonius (beide dargestellt von Ralph Morgenstern) um die Gunst der Königin vom Nil (Gabi Küster) buhlen. Auf der Flucht mit ihrem geliebten „Anthony“ strandet „Cleo“ in Afrika und soll dort von Kannibalen zu Frikadellen verarbeitet werden. Doch Leni Riefenstahl (wiederum Ralph Morgenstern) rettet sie, um mit ihr, der „Frau Patra“, in Orginalbesetzung in den großdeutschen Ufa-Studios in Berlin-Babelsberg den Monumentalfilm Cleopatra und die Tempelhuren auf Zelluloid zu bannen. Sehr zum Ärgernis von Zarah Leander (Jürgen Eidmann), Ilse Werner (Bernhard Hoffmann) und Marlene Dietrich (Ralph Morgenstern), die selbst diese Rolle begehren.

Soviel zur Handlung, die eigentlich nebensächlich ist und den Schauspielern vornehmlich dazu dient, in einem gewissen Rahmen agieren zu können. Der vorgebende Text weicht im Laufe des Stückes immer mehr Improvisationen und direktem Eingehen auf die Zuschauerreaktionen. Furios werden Persiflagen bekannter Fernsehreklame mit Nonsens gemischt, ins Gruselkabinett der Populärmusik gegriffen („Knallrotes Gummiboot“, „Life is Life“) und auch das Publikum in das Schauspiel integriert — etwa als paddelnde Galeerensklaven.

Den vier Darstellern in achtzehn verschiedenen Rollen gelingt es, jedes intellektuell nur vorstellbare Niveau weit zu unterbieten. Eine pointierte Geschmacklosigkeit jagt die nächste. Joseph Goebbels mit Adolf Hitler beim Klumpfuß-Rap. Zarah Leander beim Fellatieren des Führers. Dem Publikum gefiels (dem Kritiker auch). Ein bi-sexueller Markus Antonius, die Tempelhuren „Vibrata“ und „Phimosa“, „sakrofuck“ nochmal und bei der heiligen „Hertha Fleischwurst“ – dieses Theaterstück zielt eindeutig und teilweise in einem atemberaubenden Tempo unter die Gürtellinie.

Ralph Morgenstern brilliert als „Cäsi“ (sprich: Käsi), „Anthony“ und später als Leni und als Marlene. Unklar bleibt einzig, ob das kokette Vergessen des Textes, die Kicheranfälle auf der Bühne, wohl kalkulierte Anarchie waren, oder gar authentisch. Das Publikum jedenfalls jubilierte frenetisch hernach. Kai Rehländer