Hamburgs Baustellen flaggen aus

■ 1500 illegale Arbeiter aus Osteuropa auf Hamburger Bauplätzen beschäftigt / Stundenlöhne von einer bis 12 Mark

aus Osteuropa auf Hamburger Bauplätzen beschäftigt / Stundenlöhne von einer bis 12 Mark

Die Gewerkschaft Bau Steine Erden (BSE) schlägt Alarm: Nach einer Umfrage unter Betriebsräten nimmt im Hochbau und Bauhauptgewerbe der Einsatz von sogenannten „Billiglöhnern“ aus Osteuropa dramatisch zu. Nach BSE-Schätzungen sind derzeit rund 3000 Ostarbeiter in Hamburg eingesetzt, von denen 1500 Arbeiter illegal auf den Baustellen beschäftigt sind. Nutznießer der illegalen Beschäftigung sind dubiose Personalbeschaffungsbüros, hinter denen meist ein weit verzweigtes Netz an „Schlepperringen“ steckt. BSE-Chef Christoph Burmester: „Das Arbeitsamt ist mit der Überprüfung der Baustellen völlig überfordert.“

Grundlage für den Einsatz von sogenannten Werkvertragsarbeitern bilden entsprechende Regierungsvereinbarungen mit den Ostländern. Die Kontingente werden dann jeweils von den örtlichen Arbeitsämtern bestimmt. Bundesweit sind es nach Angaben des Hamburger Arbeitsamtsleiters Claus Clausnitzer 68000 Beschäftigte. Doch da ein Münchner Unternehmen auch Arbeitskräfte in Hamburg einsetzen kann, ist eine Kontrolle schwer möglich. Selbst nach Clausnitzers Schätzungen muß davon ausgegangen werden, daß derzeit 130000 Ostarbeiter in der Bundesrepublik tätig sind.

Die Baummalocher werden in ihren östlichen Heimatländern angeworben und von Schlepperringen zum Teil illegal nach Deutschland gebracht. Während ein polnischer Arbeiter dann hier acht bis zwölf Mark Stundenlohn verdient, kassiert die Vermittler- und Werkvertragsfirma zwischen 25 und 38 Mark von der Baufirma ab. Es sind aber auch Fälle von Tschechoslowaken bekannt geworden, wo die Arbeiter neben einem 35-Mark-Tagegeld Mark lediglich eine Mark Stundenlohn bei einer 50 Stundenwoche bekommen haben. Bei Serben, Rumänen und Bulgaren fällt selbst das Tagegeld weg, sie erhalten dennoch nur Stundenlöhne von einer bis zwölf Mark.

Zudem beobachtet die BSE eine neue Form „ausbeuterischen Menschenhandels“. Deutsche Firmen gründen in den Ostländern „Stützpunkte“, um künftig in der Lage zu sein, sich „firmenintern“ mit billigen Arbeitskräften zu versorgen. BSE-Chef Burmester sieht Vergleiche mit der deutschen Seeschiffahrt: „Damit werden Hamburgs Baustellen in Billigländer ausgeflaggt.“ Und diese Ausflaggung hat nach BSE-Auffassung verheerende Folgen: Während sich einige Firmen mit dem Billiglöhnern und illegalen Arbeitskräften eine goldene Nase verdienen, stürzen sie die gesamte Bauwirtschaft in einen ruinösen Wettbewerb, bei dem viele Betriebe auf der Strecke bleiben.

Arbeitsamtsprecherin Anja Eisenhut konnte die BSE Zahlen nicht bestätigen, weil dem Arbeitsamt keine branchenspezifischen Zahlen vorliegen. Aber auch sie sieht in der illegalen Beschäftigung ein „großes Problem“. Allein im vergangenen Jahr stöberten die Arbeitsamtsfahnder in Hamburg 17000 illegal Arbeiter auf, wodurch ein „Leistungsschaden“ von 5,6 Millionen Mark entstanden sei. Anja Eisenhut: „Das sind nicht nur

1welche, die von den Fahndern ertappt worden sind, da sind auch diejenigen bei, die durch unser gemeinsames Datenabgleichsystem von Arbeitsamt und Krankenkassen aufgepürt worden sind.“

Nach BSE-Auffassung ist sofortiges politisches Handeln der Bundesregierung notwendig. Burmester: „Dem Werkvertragsunwesen muß die rechtliche Grundlage entzogen werden, indem alle abgeschlossenen Vereinbarungen gekündigt und keine neuen Kontingente vergeben werden.“ Kai von Appen