Garantiert nicht persönlichkeitsverändernd

■ Promotion statt Premiere: Wie der Rowohlt Verlag Berliner Pressemenschen mal das Besondere bieten wollte

So ein Verlag hat es heutzutage auch nicht leicht. Heerscharen von Rezensenten wollen mit Freiexemplaren bemustert, gespeist, getränkt und bei Laune gehalten werden. Die gute, ehrliche Bockwurst ist längst zu populistisch, das schlichte Buch als Stargast gar zu dürftig. Meeresfrüchte, ausgewählte Weine und etwas Brimborium müssen es schon sein. Unverhohlen streben die Buchpräsentationen Show- Level an.

Auch der Rowohlt Verlag wollte am vergangenen Freitag im Café Rix das Besondere bieten, um Jürgen Alberts neuestem Roman »Fatima« die gebührende Öffentlichkeit zu verschaffen. Der »Mentalmagier« Hans-Georg Stumpf, gleichsam in die Rolle des Romanhelden und Illusionisten Benini geschlüpft, sollte das Publikum in erlauchte Geheimnisse einweihen — die natürlich in magischer Beziehung zum Produkt standen: Zauberkraft als direktestes Mittel, dem Kulturgut den nötigen Aufmerksamkeits- und Absatztritt zu versetzen. Und warum auch nicht? Versierte Geistforscherin, die ich bin, wollte ich schon immer mal mit mentalhöheren Kräften in Kontakt treten.

Aber ach, welche Ernüchterung. Keine obskuren Schleier, kein spontanes Auftreten überirdischer Mächte, schon gar keine poetischen Animationen. In grellster Beleuchtung fand der »Abend mit Benini« statt, und gänzlich undämonisch wirbelte, tänzelte und turnte der kleine, freundliche, ältere, überwältigend gesund wirkende Herr mit dem unverkennbar sanften erzgebirgischen Dialekt vor den geladenen Gästen. Stumpf stellte eindeutig Weltmaßstabsfragen wie »Gibt es Hellsehen? Telepathie? Kann man in die Zukunft sehen?« und »Sind Leuchter mit Denkenergien zu bewegen?« Er selbst werde Licht in unser Dunkel bringen, versprach der Meister; und nicht irgendein Licht, sondern das der vernünftigen, logischen Illusion.

Nach erfolgter »Aufmerksamkeitsmanifestation« rekrutierte Stumpf fremdwortgewandt und psychoanalysebeschlagen seine Probanden für die »garantiert nicht persönlichkeitsverändernden« Karten-, Zahlen-, Seil- und Reifentricks verschiedener Schwierigkeitsstufen. Man solle beim Bezaubertwerden nur keiner »Sensationshemmung« erliegen. Zaubern mit Freud: Toll. Das Publikum, in aufgeräumter Stimmung, war entschlossen, diese Art Zauberei im Ferienheim-Nachmittags-Format zu mögen, und Stumpf, der zusätzlich zum Handwerk mit prächtigen Knittelversreimereien aufwarten konnte, mauserte sich unversehens zum eigentlichen Star des Abends. Sollte da ein schönes Talent in der Stille gereift sein, gar Rowohlts neuer Stern aufsteigen?

Ganz klar jedenfalls war der mentalmagisch traktierten Kritikerin am Ende nicht mehr, wer oder was hier eigentlich präsentiert wurde. Alberts kann es nicht so recht gewesen sein, der nur zwei kurze Kapitel aus »Fatima« las und allenfalls unter »Co- Starring« lief. Dabei hat er in seinem »katholischen Schelmenroman« immerhin den Versuch unternommen, das Marienwunder im portugiesischen Fatima, die weltgeschichtlichen Ereignisse von 1917 und 1940, ehrliche Illusion, fiese Manipulation und russische Oktoberrevolution in Zusammenhang zu bringen. Das ist ihm, nebenbei, nicht so recht gelungen — trotz einjähriger Recherche in den Archiven Lissabons.

Promotion statt Premiere — so ganz ging das Rowohlt-Konzept, Literatur als eine Art notwendiges Übel zwischen Scampi, Sekt und Taschenspielerei zu präsentieren, nicht auf. Auch in der Gesellschaft des Spektakels heiligt der Zweck (noch) nicht jedes Mittel. Am Ende zerstreute sich das Grüppchen geladener Kultur-People wie nach einer Kaffeefahrt mit Verkaufsveranstaltung und reichlich faulem Zauber — ernüchtert, doch in Einzelfällen wohl auch belehrt: Selbst Wunder sind heute eine seltsam profane Angelegenheit. Anke Westphal

Jürgen Alberts: »Fatima. Ein katholischer Schelmenroman«. Rowohlt Verlag, 336Seiten, 39,80DM.