Erfurter Kabinett runderneuert — aber ohne Profil

Befreiungsschlag nach Skandalen ging daneben/ Der neue Sozialminister Pietsch ist eine alte Blockflöte  ■ Aus Erfurt Henning Pawel

„Bei der nächsten Wahl werden keine Parteien, sondern Personen gewählt“, soll Bernhard Vogel im Vorfeld der Thüringer Kabinettsumbildung mehrfach erklärt haben. Seine Präsentation der Kandidaten bewies dann aber das Dilemma, in welchem der mittlerweile in Thüringen recht beliebte Regierungschef steckt.

Keine Leute, keine Leute. Und völlig unersichtlich für das Auditorium, wo denn nun die Wählbarkeit dieser neuen Männer liegt.

Was Bernhard Vogel in Thüringen als neue Minister aufbot, löste allenfalls resigniertes Schulterzucken aus, keinesfalls aber den rasanten Antrieb für das Kabinett, den er den gesamten Sommer über prophezeit hatte.

Der als Befreiungsschlag gedachte Coup, das wurde bereits nach den ersten Worten Vogels während der Präsentation deutlich, ist ein Schlag ins Wasser. Bestenfalls der neue Innenminister läßt so etwas wie Format ahnen. Dr.Franz Schuster, 48. Ein Import aus Baden-Württemberg. Verwaltungsfachmann. Einstiger Direktor des Institutes für Verwaltungswissenschaften der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU. Er kam über einen Zwischenstop im sächsischen Wirtschaftsministerium ins Land Thüringen, übernahm unter Vogel als Minister die Staatskanzlei und präsidiert als Vorstandsvorsitzender der Landesentwicklungsgesellschaft. Das wird er auch als neuer Innenminister weiter leisten sowie die gesamte Bauwirtschaft der Regierung koordinieren. Mit der Polizei, dem schwierigsten Thüringer Kapitel, hatte Schuster bisher wenig zu schaffen. Ihrer Reform wird er die intensivsten Anstrengungen widmen müssen.

Das wohl größte Kopfschütteln löste Vogel bei der Vorstellung des neuen Arbeits- und Sozialministers aus. Dr.Franz Michael Pietsch, Arzt, 50, Kreisvorsitzender der Weimarer CDU. Mitglied der Partei seit 1975, Reserveoffizier der NVA, und, wie das Gerücht geht, strammer Funktionär der einstigen Einheitsgewerkschaft FDGB.

Die Entscheidung für Pietsch ist eine Verbeugung vor dem Betonflügel der Thüringer CDU- Fraktion. Der neue Minister war bereits im Vorfeld im Gerede. Die Art und Weise, wie er seine Heimatgemeinde, Bad Berka, unter Druck setzte, das ansässige Herz-Lungen-Klinikum zu privatisieren, hat ihm in der Thüringer Ärzteschaft weniger, aber unter den Wissenschaftlern mehr Freunde gebracht. Daß er nach vollzogener Privatisierung vom neuen Eigner, dem Rhön- Klinikum, als hochdotierter Arzt eingestellt wurde und noch da beschäftigt ist, wird sich zur weiteren Belastung auswachsen. Und das Wahlvolk im gesamten Erfurter Raum wird mit Interesse zur Kenntnis nehmen, daß der neue Sozialminister die Verantwortung dafür trägt, daß zugunsten seiner 7.000 Berkaer Mitbürger eine Patientenschaft von fast einer halben Million (ganz zu schweigen von den Berkaer Mitbürgerinnen. d.sin) weiterhin, wie seit Jahrzehnten, medizinisch schlecht versorgt bleibt, daß jenes dringend benötigte Universitätsklinikum in der Landeshauptstadt nicht mehr zu finanzieren ist.

Der neue Minister für die Staatskanzlei, Andreas Trautvetter, Schatzmeister der Thüringer CDU, ansonsten ein völlig unbeschriebenes Blatt. Mathematiker von Hause aus und einstiger Hauptbuchhalter in einem kleinen Thüringer Unternehmen. „Er wird“, wie ein Angestellter des Thüringer Landtages ahnungsvoll sagte, „Vogels Buch wohl ordentlich halten können.“

Ende eines Sommertheaters. Applaus nach diesem Vorhang hat Vogel nicht bekommen. Hat er hoffentlich auch nicht erwartet.