Endlose Kette rassistischer Anschläge

■ Im brandenburgischen Ketzin wurde ein Asylbewerberheim völlig niedergebrannt/ Bewohner blieben unverletzt/ Verfassungsschutz dementiert Stasi-Steuerung der Rostocker Gewaltnächte

Berlin (ap/dpa/taz) — Haß auf Ausländer hat in zahlreichen Orten Deutschlands wiederum Menschen in Lebensgefahr gebracht. Den schwersten Gewaltakt meldete die Polizei aus dem brandenburgischen Ketzin bei Potsdam: Dort brannten mehrere Männer ein Asylbewerberheim nieder, dessen Bewohner, darunter Frauen und Kinder, sich nur in panikartiger Flucht retten konnten. In dem Ort nahe Potsdam warfen nach Polizeiangaben vermutlich drei oder vier Männer im Schutz der Dunkelheit einen Molotowcocktail durch ein Fenster des Heims, dessen Einrichtung sofort Feuer fing. Die 44 vorwiegend aus Bulgarien kommenden Bewohner seien schnell auf die Straße gestürzt, so daß niemand verletzt worden sei.

Die Polizei nahm nach eigenen Angaben zwei 20jährige Tatverdächtige fest. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei sind die Festgenommenen keine Skinheads oder organisierte Rechtsradikale. Ministerpräsident Stolpe sprach vor Ort von einem Mordversuch und warnte, Menschen, die so etwas täten, seien auf einem Weg, der schon einmal „in Auschwitz geendet ist“. In einer gemeinsamen Erklärung haben alle Parteien im brandenburgischen Landtag den Brandanschlag verurteilt.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln hat unterdessen Berichte bestätigt, nach denen an den ausländerfeindlichen Krawallen in Rostock ehemalige Angehörige des DDR-Staatssicherheitsdienstes beteiligt waren. Drei der in Rostock festgenommenen Personen hätten früher für die Stasi gearbeitet. Von Stasi-gesteuerten Krawallen könne jedoch nicht die Rede sein, erklärte der Leiter des Verfassungsschutzes in Mecklenburg, Seidel.

Auch in Erfurt wurde in der Nacht zu Donnerstag ein Ausländerwohnheim, in dem Vietnamesen untergebracht sind, mit Steinen und Leuchtgeschossen angegriffen. Die Täter seien, so die Polizei, der rechtsradikalen Szene zuzuordnen.

In Bernshof bei Ückermünde wurden die Fensterscheiben des Asylbewerberheims eingeworfen. In Berlin nahm die Polizei zwei Männer fest, die verdächtig sind, einen Brandanschlag auf ein Ausländerwohnheim im Bezirk Hohenschönhausen verübt zu haben. In Oschersleben in Sachsen-Anhalt warfen zwei Täter Brandflaschen in ein Fenster der dortigen Flüchtlingsunterkunft. Die Heimbewohner hätten das Feuer löschen können. Vor einem Heim für Asylbewerber in der Harzstadt Blankenburg wurden zwei Autos angezündet.

Weitere Anschläge auf Asylbewerberheime wurden aus Düsseldorf, Göttingen, Nordheim und Bad Krozingen gemeldet. Das Bündnis 90/Die Grünen hat inzwischen für die gefährdeten Ausländer in Deutschland ein Notruftelephon mit bundeseinheitlicher Nummer gefordert.

Der Berliner Innensenator Dieter Heckelmann sagte in einem Interview, den Verfassungsschutzämtern von Bund und Ländern lägen Erkenntnisse über ein kontinuierliches Anwachsen des Rechtsradikalismus in den neuen Bundesländern vor. Der Linksradikalismus gehe „praktisch kaum nennenswert zurück“, es bestehe „die Sorge vor einer gegenseitigen Aufschaukelung“.