Motte tot — Mensch krank

■ Oldenburger Uni warnt vor dem Gebrauch von Schädlingsbekämpfung

Finger weg, sonst übelFoto: Tristan Vankann

Ganz verbieten geht wohl nicht. Aber die Empfehlung des „Informationsdienstes Pestizide und Gesundheit“ an der Uni Oldenburg ist eindeutig: Zur Schädlingsbekämpfung in Innenräumen sollten grundsätzlich keine chemischen Mittel angewandt werden. Die meisten enthalten nämlich schwer abbaubare Wirkstoffe, zum Beispiel Pyrethroide, die zu schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen führen können.

Im Klartext heißt das: Mottenkugeln und Insektensprays haben in keinem Haushalt etwas zu suchen. Selbst flohbefallene Wohnungen können ohne Gift fachgerecht entsorgt werden. Und wer ein Wespennest im Kinderzimmer unbedingt loswerden will, sollte nicht den Kammerjäger mit der Giftspritze rufen, sondern lieber 30 Minuten staubsaugen und dann das leere Nest in den Müll werfen. Einzige Ausnahme: Wenn die Schädlinge Krankheiten übertragen, sieht auch der Informationsdienst in Oldenburg in manchen Fällen keine Alternative zu Bioziden.

Ganz so deutlich wird das offizielle Tagungspapier nicht. Schließlich waren Vertreter der zuständigen Bundesministerien Geundheit und Umwelt mit an der Formulierung beteiligt. Es enthält daher den Zusatz: „...gefährliche Gesundheitsschädigung bei unsachgemäßer Anwendung...“. Gleichzeitg machen aber alle Tagungsteilnehmer deutlich, daß die „sachgemäße Anwendung“ von Bioziden im Alltag praktisch nie vorkomm. Selbst anerkannte Schädlingsbekämpfer hätten meist keine Ahnung von der toxikologischen Wirkung der gängigen Mittel. Und die kann weit reichen: Von akuten Vergiftungen mit Erbrechen oder gar Ohnmachtsanfällen über diffuse, meist psychische Symptome wie Depression oder Antriebsarmut bis hin zu Langzeitschäden, zum Beispiel Krebs, Mißbildungen ungeborener Kinder oder anderen genetischen Schäden.

Dennoch sind die meisten gängigen Mittel in jedem Supermarkt zu haben. Zwar besteht in Deutschland grundsätzlich eine Kennzeichnungspflicht. Doch die sei oft irreführend, so Olaf Hostrup vom Informationsdienst. Die Kennzeichnung „mindergiftig“ beispielsweise beziehe sich lediglich darauf, daß erst eine relativ hohe Dosis des Mittels zum sofortigen Tod führe. Ein bloßer Verdacht reicht jedoch nicht aus, um das Mittel vom Markt zu nehmen. Er muß erst eindeutig wissenschaftlich bewiesen werden. Und das bedeutet für jede einzelne chemische Verbindung eine Vielzahl unterschiedlicher Versuche.

Gesundheits-und Umweltministerium arbeiten derzeit an eienr dringend notwendigen Gesetzesregelung, die zumindest den freien Verkauf von Bioziden einschränken soll. Aber den Beamten sind die Hände gebunden. Dem Bundesgesundheitsamt (BGA) sind angeblich nur „16 1/2 Fälle“ von nachweislichen Lanzeitvergiftungen durch Biozide bekannt. Und das, obwohl eine ärztliche Meldepflicht besteht. Die Tagungsteilnehmer rufen daher Ärzte und Verbraucher dringend dazu auf, jeden Krankheitsfall, der in Verbindung mit der Anwendung von Bioziden stehen könnte, ans BGA zu melden. Dr. Irene Witte, Leiterin des Fachbereichs Biologie an der Uni Oldenburg: „Jeder bekanntgewordene Fall trägt dazu bei, daß die entsprechenden Mittel vom Markt genommen werden.“

Kontaktadresse: Informationsdienst Pestizide und Gesundheit, Fachbereich Biologie, Carl-von-Ossietzky-Universität, 2900 Oldenburg. Tel.: 0441/798-3777