Tempo 30 wird in 35 Straßen aufgehoben

■ SPD hat nahezu allen Forderungen der CDU zugestimmt, wertet das Ergebnis aber als Erfolg/ Tempo-30-Schilder sollen bis Oktober abmontiert werden/ Einige betroffene Bezirke protestieren

Berlin. Im Streit um die Aufhebung von Tempo 30 in den Westbezirken hat die CDU gewonnen. In 35 Straßen, in denen seit dem rot-grünen Vorgänger-Senat nur eine Geschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde erlaubt war, darf demnächst wieder Gas gegeben werden. Bis Oktober sollen in 32 Straßen die Tempo-30-Schilder abmontiert werden, in drei weiteren Straßen verschwinden die Tafeln erst, wenn das Kopfsteinpflaster durch »leises« Asphalt ersetzt worden ist. Vor Schulen (insgesamt in neun Straßen) soll weiterhin 30 gelten. Ursprünglich hatte die CDU bei 41 Straßen auf die Erlaubnis für eine höhere Geschwindigkeit bestanden.

Joachim Niklas, Verkehrspolitiker der SPD, wertet das Ergebnis nach fast einjähriger Verhandlung als Erfolg. Die Koalition habe sich Anfang 1991 geeinigt, den Anteil der Tempo-30-Zonen in den Westbezirken auf unter 60 Prozent zu reduzieren, sagte Niklas. Eine Vielzahl von verkehrsberuhigten Quartieren habe umgewandelt werden müssen. Mit der Wiedereinführung von Tempo 50 in 35 Straßen gelte weiterhin in 73 Prozent der Straßen Tempo-30. Die CDU habe gemerkt, daß es keinen Sinn mache, diesen Teil der Verkehrspolitik zurückdrehen — dies sei ein positives Ergebnis, erklärte Niklas. Niklas hatte die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner (Rainer Giesel) und der Verkehrsverwaltung (Ingo Schmitt) in der vergangenen Woche geführt.

Dieses Verhandlungsergebnis stieß bei Käthe Zillbach, verkehrspolitische Sprecherin der SPD, auf Kritik. Warum ihre Fraktion so weit nachgegeben habe, entziehe sich ihrer Kenntnis. Zillbach hatte monatelang erklärt, daß die Sozialdemokraten dem von der CDU geforderten »Rollback« nicht zustimmen werde, solange nicht die Bezirke und die Betroffenen gehört wurden und die Unfallentwicklung ausgewertet worden ist. Es sei enttäuschend, daß die CDU diesen Forderungen in wesentlichen Punkten nicht nachgegeben habe. Weil ihre Partei wichtige Vorstellungen nicht durchgesetzt habe, »weiß ich auch nicht mehr, ob wir in der Verkehrspolitik noch etwas versprechen sollten«, sagte die verkehrspolitische Sprecherin.

In den Bezirken Charlottenburg (sechs Straßen) und Tiergarten (vier Straßen) traf die Abschaffung von Tempo 30 auf Kritik. Untersuchungen hätten ergeben, daß in Tiergarten die Verkehrssicherheit gestiegen sei, obwohl sich nicht einmal alle Autofahrer an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten haben, sagte Johann Schilcher, Leiter des Tiefbauamts. Sein Bezirk werde sich »mit allen Mitteln« gegen die Entscheidung der Verkehrsverwaltung wehren. Die SPD Charlottenburg will gar den Staatssekretär Ingo Schmitt (CDU) »aus dem Verkehr ziehen«. Nachdem er die »völlig unsinnige« zeitliche Einschränkung der Ku'damm-Busspur verfügt habe, schlage er im Streit um Tempo 30 wieder zu. Die Bezirks-SPD ruft die Charlottenburger Bevölkerung auf, sich gemeinsam gegen die Beschleunigung des Autoverkehrs zur Wehr zu setzen. Dirk Wildt

Aufhebung von Tempo 30, Anzahl der Straßen und Straßenzüge in Klammern: Tiergarten (4), Wedding (3), Kreuzberg (5), Charlottenburg (9), Wilmersdorf (3), Schöneberg (2), Steglitz (2), Tempelhof (1), Neukölln (1), Zehlendorf (1), Reinickendorf (4)