Wie wird man Arbeitgeber und dennoch kein Schwein ?

■ Patenschaften für Putzfrauen?

Patenschaften für Putzfrauen?

Blick zurück im Staub: Jahrelang lag ein gnädiger Schleier der Blindheit über Schrankecken, Fenstern, Regalen und Fliesen. Nur wenn sich die Altvorderen auf Besuch wagten, zerriß dieser Schleier jäh, und das übliche Laisser-faire erschien als schieres Ungenügen.

In den verbliebenen Wohngemeinschaften gereifter Dreißiger und Vierziger schwelt seit einiger Zeit ein neuer Geschlechterkampf in Sachen Schmutz. Meist sind es die Frauen, die das Tabu brechen und fordern, daß eine Putzfrau ins Haus muß.

Sie sind es leid, sich nach Büroschluß auch für die Tiefenreinigung im Haushalt zuständig zu fühlen und gegebenenfalls beim nächsten Elterntag dafür zu sühnen. Abgesehen davon, sagen sie, ist es höchste Zeit, mit der klassischen Doppelbelastung von Frauen aufzuräumen.

In den alternativ erzogenen Männern erwacht bei solchem Ansinnen oft längst verloren geglaubter Kampfgeist: Eine Putzfrau im Haus sei der endgültige Schritt in die Verspießerung, seit den Zeiten des Ancien régime ein sicheres Zeichen für Dekadenz. Außerdem, verkünden die erzürnten Hausmänner, brauchen sie zumindest keine Putze, sind sie doch ohnehin reinlicher als die gestreßten Frauen.

Wochenlange Debatten trüben die ohnehin seltenen Zusammenkünfte; Debatten, in denen der mühsam bewältigte Alltagsdreck — Spülen, Tischabwischen, Wäschewaschen, Einkauf und Kochen — abgewogen wird gegen den Grundwiderspruch in Sachen Schmutz, den tiefsitzenden Dreck in Teppichen, Böden und Rillen. Die Art Schmier, die selbst kurzsichtige Hausfrauen falkengleich erspähen. Und schließlich glaubt keiner mehr an den Putzplan. Der hat ebenso ausgedient wie der Fünfjahresplan. Vor dieser Einsicht geben sich irgenwann auch die Feinde bezahlter Putzarbeit geschlagen.

Eine Putzfrau aus dem Widerstand

In einem besonders krassen Fall drohte ein letzter Rebell damit, seine Tür abzuschließen, falls eine fremde Person ins Haus käme. Er versuchte, das Problem präkapitalistisch zu lösen, und bot seiner Mutter eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Haushalt an. Selbstverständlich gegen Entlohnung. Kaum nötig zu sagen, daß dieses Experiment, bezahlte Hausarbeit und Sinnstiftung für Alleinstehende zu verbinden, zum Scheitern verurteilt war. Im Haus dieses Einzelkämpfers soll mittlerweile eine Putzfrau am Werk sein. Aber vorerst under cover, ohne sein Wissen.

In anderen Gemeinschaften ist man derweil auf einem höheren Diskussionsniveau. Einige Männer haben sich von ihren Freundinnen sagen lassen, daß eine Putzstelle für viele der hier lebenden Ausländerinnen die einzige Möglichkeit sei, unabhängig Geld zu verdienen, das sie dringend brauchen. Das ist viel mehr wert als abstrakte Solidarität, heißt es. Eigentlich ist es wie eine Patenschaft für ausländische Frauen. Am besten, so lautet die weinselige Losung, ist natürlich eine Putzfrau aus dem Widerstand.

Für all jene, die eine Frau finden fürs Grobe im Haushalt, stellt sich unerbittlich die nächste Fragen: Wie wird man Arbeitgeber und dennoch kein Schwein? Die Erbsünde der Ausbeutung ist nur zu tilgen durch gleichen Lohn für unterschiedliche Arbeit, sagen die Radikalen unter den Putzfrauen-Willigen. Das heißt also: Weiße Frau muß schwarzer Frau den Stundenlohn zahlen, den sie selbst bekommt, um sich vom Ruch des Rassismus zu befreien. An diesem Punkt — ganze Frauenforen haben dies durchlitten — scheiden sich die Geister: Die einen versagen sich die Hilfe im Haushalt, weil sie sich den solidarischen Lohn für die schwarze Schwester nicht leisten können, die anderen geben das Übliche.

Die Verwandlung in eine gewöhnliche nörgelnde Herrschaft

Schwieriger als solche Grundsatzentscheidungen ist aber manchmal der Umgang mit der Frau, die man eingestellt hat. Manche versuchen, das Arbeitsverhältnis positiv zu gestalten, indem sie erstmal selbst wochenlang durchputzen — vor Arbeitsantritt der neuen Hausangestellten.

Andere quälen sich mit ihrer Unfähigkeit zur Kritik. Wie sagt man's bloß, wenn sie den Dreck nicht richtig wegmacht, ja, vielleicht so faul ist wie wir selber, aber dabei schwarz? Schlimmer nämlich als eine saumselige Haushaltshilfe ist die eigene Verwandlung in ganz gewöhnliche nörgelnde Herrschaften.

Dieses Dilemma wird in langen Gesprächen mit unterschiedlichem Nervgrad ausgebreitet. Da eine Lösung nicht in Sicht ist, verabredet sich eine Minderheit für den nächsten Tag. Zum Nachputzen. Und konstruktive Mitarbeit gehört schließlich auch zu einer Patenschaft. Jutta Rosbach