Wahres Design will Häßlichkeit

■ Stiletto und DesignLabor schraubten für MZ das robuste Schlichtmotorrad zusammen

Man nehme einen Künstler, mehrere Designer, nostalgische Liebe zu DDR—Produkten und ein gutes Dutzend Motorräder der Motorenwerke Zschopau, Markenname MZ, und schon wird aus einer Wirtschaftspressekonferenz eine Performance. Dazu brauchte das ideelle Gesamtkunstwerk MZ noch den Rat für Formgebung, den Veranstaltungsrahmen der „Design Horizonte“ auf der Frankfurter Internationalen Herbstmesse und eine namhafte Großbrauerei als Sponsor. Die Not der MZler muß in der Tat groß gewesen sein, als sie Stiletto Studios aus Berlin und das DesignLabor Bremerhaven ins Haus ließen. Zum Stichtag 30.Juni drohte die Schließung. Daß bis dahin 10.000 mit westlicher Verkleidung aufgepeppte Motorräder verkauft wurden, wendete das Unheil — vorerst — ab.

Die neue Produktlinie mißfiel den Designern allerdings sehr. Sie sehe auf den „konventionellen Fahrgestellen der hausbackenen Nutz- Krafträder völlig verloren“ aus, und empfahlen eine neue Produkt-Philosophie: die alte. Der ruppige, aber billige Bock, der eine kleine Fan-Gemeinde trotz Zweitakter, Rütteln und Schütteln und herbem Industrie-Design in der Vergangenheit nicht abschreckte, soll die Zukunft sein. Denn unter dem neuen Kleid verbirgt sich ohnehin nur der alte Motorblock, dessen Anblick härtere Männer braucht als die Liebhaberinnen japanischer Stromlinienmaschinen. „Schnickschnack“, befand also Stiletto. MZ liege damit neben dem Trend, der eindeutig zu „neuer Bescheidenheit“ und „künstlicher Langsamkeit“ gehe. Und da sei der „unprätentiöse Charakter ihres kompromißlos alltäglichen Gebrauchsfahrzeugs“ als Verkaufsargument unschlagbar. In Japan werde das „Blendwerk“ gerade wieder abgeschraubt, „Naked Bikes“. Oder, Verkaufsidee Nr.2, „Rat Bikes“: „Mitunter macht die Merkwürdigkeit des Häßlichen erst Individualität aus.“

Der gelernte Lkw- und Panzerschlosser, geboren in Rüsselsheim, griff mit den Bremerhavenern zum Schraubenschlüssel und entwickelte drei Baukasten-Motorräder „ohne Firlefanz“, wie die Biker-Zeitung Gummikuh anmerkte. MZ Trans Classic für den „geschichtsbewußten Jungakademiker im Osten und den vernunftorientierten Motorradliebhaber im Westen“, Trans Erz als „Bekennermotorrad“ und Trans Port als Nutzkrad für „Rauhbein und Postbeamte“. MZ, sinnierte Stiletto dazu, das sei „wie Vespa in Italien“. Auch diese Firma hatte sich japanischem Dekor angepaßt und ihre Liebhaber damit verprellt.

Kai Klinger, seit Mitte der achtziger Jahre Designer bei MZ, sieht den Kundenkreis für das Konzept bisher nicht so heftig herbeiströmen — Kunst hin, Künstler her. Die Fans, vermutet er, sind zu wenige und bauen lieber in Eigenarbeit eine gebrauchte Maschine wieder auf. Stiletto kämpft dagegen heftig an. Erstens müsse ja eine Ware nicht unbedingt schlecht sein, nur „weil sie sich nicht verkaufen läßt“. Außerdem sei das immerhin ein Motorrad, „das nicht geklaut wird“. Doch jenseits solcher Flapsigkeit vermutet er, daß die ostentative Gleichgültigkeit, die von seiten der MZ-Werke hinsichtlich der von ihm und dem DesignLabor erarbeiteten Studie über die Möglichkeit anderer Produktions- und Design-Strategien an den Tag gelegt wird, weiterreichende Gründe hat. Das Konzept nicht für die Verkaufsfähigkeit eines Produkts initiiert, sondern einer Firma mit Grund und Boden. Heide Platen