Ein Waffenstillstand macht noch keinen Frieden

■ Ab heute sollen die Waffen im Kaukasus schweigen/ Moskauer Vereinbarung ist eine Niederlage für abchasische Separatisten

Tbilissi/Moskau (taz) — Eine Menge Überwindungskraft muß es ihn gekostet haben. Er schien sich gar zu ekeln. Die Rede ist von Wladislaw Ardsinba, dem Führer der abchasischen Separatisten. Nach dem Abschluß einer Waffenstillstandsvereinbarung, die am heutigen Samstag in Kraft tritt, wollte er seine Hand partout nicht zur Versöhnungsgeste reichen. Doch Rußlands Präsident Jelzin half mit etwas Gewalt nach und drückte die rechte Hand Ardsinbas in Schewardnadses Rechte. So ähnlich müssen auch die Vermittlungsbemühungen verlaufen sein. Ardsinba gestand rundheraus, man habe ihn zur Unterzeichnung gezwungen. Kein erfreuliches Omen für die Umsetzung der Friedensvereinbarungen. Auch Schewardnadse hat Zweifel: „Es wird schwierig sein, das Abkommen umzusetzen. Dennoch werden wir es versuchen, ansonsten wird der Kaukasus zu einem zweiten Libanon.“

Der Abchase verließ Moskau als klarer Verlierer. Längerfristig wird das Waffenstillstandsabkommen ihm wohl seinen politischen Kopf kosten. Seine Freunde werden ihn schnell des Verrats bezichtigen. In einem „befriedeten“ Georgien hat er als „Extremist“ ohnehin keinen Platz. Jelzin und Schewardnadse überstanden das Moskauer Treffen ohne wesentliche Blessuren. Schewardnadse mußte nur eine Kröte schlucken, die Teilnahme russischer Militärs an einer GUS-Friedenstruppe. Die Russen stellen in Georgien das Feindbild Nummer Eins.

Zum Ausgleich kehrt Schewardnadse mit der Zusicherung zurück, seine Nationalgarde dürfe weiterhin auf abchasischem Territorium bleiben — wenn auch in reduzierter Stärke. Das wird die ärgsten Nationalisten in Tbilissi ein wenig beruhigen. Zu den Unterzeichnern gehören außerdem die Vertreter einiger Kaukasusrepubliken in Rußland. Sie hatten Abchasien in seinem Kampf gegen Georgien aktiv unterstützt.

Das Abkommen ist noch keine Friedensgarantie und bei weitem keine Beilegung des ethnischen Konfliktes zwischen den beiden Völkern. Morde und Anschläge werden die Agenda weiter beherrschen. Es ist aber wohl der Anfang des Endes der kommunistischen Nomenklatura in Suchumi. Denn Wahlen will Tbilissi auf jeden Fall am 11.Oktober durchführen. Um endlich Reformen in Gang zu setzen und dem Land eine gewisse Stabiliät zu geben, sind die meisten politischen Kräfte auch damit einverstanden. Selbst in Abchasien und Sugdidi, wo die Anhänger des verjagten Präsidenten Gamsachurdia sitzen, soll es keine nennenswerten Einwände geben. Das läßt sich auf das Wirken Schewardnadses zurückführen. Noch zu Jahresbeginn zählte er zu den bestgehaßten Männern im Kaukasus. Es galt schlicht als „der Russe“.

Ein halbes Jahr später avancierte er zum „rettenden Engel“. Georgij Dschanturia, der Vorsitzender der Nationaldemokratischen Partei, die auf ein Drittel der Wählerschaft hofft, erklärt das so: „Schewardnadse macht Feinde zu Freunden“. Im August veröffentlichte der Staatsrat ein Manifest an die Bürger Georgiens. Gleichzeitig wurde eine Generalamnestie für alle während der Umbruchwirren Inhaftierten erlassen. „Das ist riskant, schaffte aber Vertrauen“, so Dschanturia, der sich Schewardnadse noch im Januar in keiner politischen Funktion Georgiens vorstellen konnte.

Zwischenzeitlich gehörte der ehemalige Außenminister dem Block „Freiheit“ an. Einer Sammlung von sieben Parteien und Organisationen. Vornehmlich alte Kommunisten drängten hinein, aber auch separatistische Organisationen und Monarchisten nahmen teil. Allerdings keine Gruppen aus der georgischen Nationalbewegung. Ein „Muß“, um im heutigen Georgien Erfolg zu haben. Schewardnadse stieg aus. Noch weiß keiner, wie der Wahlgang genau aussehen wird. Präsidentschaftswahlen möchte man nach den letzten Erfahrungen mit Gamsachurdia vermeiden. Vielleicht wird man sich auf eine Doppelwahl festlegen: Das Parlament und, unabhängig davon, seinen Vorsitzenden vom Volk wählen lassen. An Schewardnadses Erfolg zweifelt keiner, zumal nur mit einem ernstzunehmenden Alternativkandidaten zu rechnen ist. Nodar Natadse, Führer der georgischen Volksfront und graue Eminenz in der Politik Georgiens.

Von den 40 registrierten Parteien verdienten nur drei oder vier die Bezeichnung wirklich, so Dschanturia. Guram Berischwili, Finanzexperte im Staatsrat, rechnet daher mit einer Koalitionsregierung. Unabhängig davon sieht auch er in Schewardnadse den zukünftigen Steuermann am Schwarzen Meer. „Das Volk braucht noch seine gute Führerfigur.“ Dennoch sei Georgien auf dem Weg in die Demokratie. Klaus-Helge Donath