„Ich kämpfe, also siege ich“

Präsident Mitterrand plädierte im französischen Fernsehen drei Stunden lang für Maastricht/ Kohl zur Unterstützung zugeschaltet/ Gegner sehen keine konkrete Frage geklärt  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Frankreichs Staatspräsident Fran¿cois Mitterrand ist am Donnerstag abend persönlich in den Wahlkampf gezogen, um die Franzosen zu einem Ja zur europäischen Einigung zu bewegen. In einer fast dreistündigen Fernsehshow, die live aus dem prächtigen Amphitheater der Pariser Sorbonne übertragen wurde, stellte er sich den Fragen von 14 Bürgern, die ein Meinungsinstitut angeblich „neutral und ausgewogen“ ausgewählt hatte. Entsprechend der bekannten Positionen fiel das Echo am Freitag aus. Während der sozialistische Parteichef Fabius den Auftritt als „wichtigen Mobilisierungsfaktor“ wertete, warfen die Maastricht- Gegner dem Präsidenten vor, auf die Fragen lediglich „sterile Antworten“ gegeben zu haben.

Das Frankreich der Demoskopen besteht offenbar zu über drei Vierteln aus Männern, es kennt weder grüne noch kommunistische oder rechtsextreme Strömungen: Die drei Alibi-Frauen und elf Männer, die im Gespräch mit Mitterrand zur Hälfte für, zur Hälfte gegen Maastricht argumentierten, sympathisierten ausschließlich mit dem alteingesessenen Parteienspektrum sowie der Ökopartei Generation Ökologie. Ihre Fragen drehten sich um Erziehung und Bildung, um das soziale Europa, um die Landwirtschaft, sie streiften jedoch kaum die zentralen Fragen der Währungsunion, der gemeinsamen Außenpolitik oder der Sicherheit. Anschließend antwortete der Präsident drei (ebenfalls männlichen) Journalisten und debattierte mit dem Oppositionspolitiker Philippe Séguin. Der neogaullistische Parlamentsabgeordnete und ehemalige Sozialminister hatte sich im Verlauf des Sommers als heftigster Maastricht-Gegner profiliert. Die ruhig und nie polemisch geführte Diskussion ergab, daß es völlig unterschiedliche Lesarten des Vertrags von Maastricht gibt. Schützenhilfe erhielt Mitterrand von Bundeskanzler Kohl, der aus Bonn zugeschaltet war. Der Moderator der Sendung konfrontierte den Kanzler mit den Sorgen der französischen Maastricht- Gegner vor einem von Deutschland dominierten Europa. Kohl wies den Einwand als absurd zurück und beteuerte, auch nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages werde jedes Land seine Identität behalten. Frankreich dürfe keinen Minderwertigkeitskomplex haben. Vor der Sendung hatten die Maastricht-Gegner die Teilnahme des Bundeskanzlers an der Debatte als Einmischung in innerfranzösische Angelegenheiten kritisiert. Kohl entgegnete, daß er in einem historischen Augenblick nur seinen freundschaftlichen Rat geben wolle. Als Mitterrand 1983 vor dem Bundestag für die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden plädiert habe, sei dies auch nicht als Einmischung aufgefaßt worden. Mitterrand sagte vor der Kamera, das Referendum sei keine Abstimmung über seine Person. Bislang denke er nur an die Folgen einer Annahme des Europavertrags. „Ich kämpfe, also werden die Befürworter von Maastricht gewinnen“, gab Mitterrand sich siegesgewiß. Die Folgen eines Neins werde er erst überlegen, wenn dieser Fall eingetreten sei. Dann, so Mitterrand sibyllinisch, werde er „seine Verantwortung“ tragen.