Bleiche Puppen statt Menschen

■ Macunaima aus Brasilien enttäuschte auch mit der zweiten Produktion bei Movimientos, diesmal im Schauspielhaus

aus Brasilien enttäuschte auch mit der zweiten Produktion bei Movimientos, diesmal im Schauspielhaus

Antunes Filho gilt als die Überfigur der brasilianischen Regie. Seit über dreißig Jahren hat er alle Entwicklungen des dortigen Theaters mitgeprägt, vielfach eingeleitet. Auf vielen Welttourneen wurde er als der vorrangige Vertreter des südamerikanischen Sprechtheaters gehandelt und selbst ein so von sich selbst überzeugter Inszenator wie Gerald Thomas zollt ihm als einzigem Kollegen seiner Heimat Respekt.

Doch die tiefere Ursache dieses Rufs offenbarte sich in den drei beim Sommertheater gezeigten Stücken seiner Comapgnie Macunaima höchstens als Ahnung. Nach seiner ersten Entgleisung mit einer „sexualisierten“ Rotkäppchen-Geschichte (taz berichtete) im Malersaal, folgten nun zwei Einakter von Nelson Rodrigues. A Falecida („Die Verstorbene“) ist die Geschichte von einer todessehnsüchtigen Frau, deren Revanche am Leben ein pompöses Begräbnis sein soll. Os Sete Gathinos („Die sieben Kätzchen“) handelt von der elenden Hoffnung einer zerrütteten Familie, mit der Jungfräulichkeit der jüngsten Tochter ihre eigene Reinheit zu retten.

Beide Texte verwandelt Filho in ein übertheatralisiertes Spektakel mit Puppen statt Menschen. Pathetische Überzeichnungen gleiten ab in störenden Kitsch, Sinnbrüche in der Geschichte werden mit wildem Gekreische und musikalischem Gefühlskrach verkleistert. Und gerade deswegen bleibt das Spektakel spannunglos und oberflächlich. Die gewollte Künstlichkeit der weißgeschminkten Figuren, die in einer großen Jugendstil-Bahnhofshalle rennen und wild gestikulieren, verliert schnell an Charme und da es scheinbar nicht um Persönlichkeit gehen soll, fragt man sich eineinhalb Stunden lang, worum es denn stattdessen geht.

So verendet Filhos Theater auf dem halben Weg zwischen Volkstheater und ästhetischer Provokation, wie Gerald Thomas sie praktiziert. Karger Applaus aus dem halbleeren Saal beendete die unbefriedigende Vorstellung. Till Briegleb

Ein Abschlußbericht zum Festival folgt morgen in der überregionalen Kultur