Fools on the hill

■ r.s.2-Eigenwerbung provoziert Jugendsenator Krüger

Berlin. Kopulierende Marienkäfer, ein Fixer beim Einstich, Fahrradfahrer im Autostau, Flüchtlingskinder hinter Gittern, das sind die Motive der neuen r.s.2-Werbekampagne, mit denen derzeit die U-Bahnhöfe gepflastert sind. Die von der Agentur Scholz & Friends entworfenen Plakate verbinden die Motive mit Songtexten wie den Bob-Dylan-Titel »Knock, knock knockin' on heavens door« neben dem Fixer oder den Grönemeyer- Song »Männer« neben dem Liebesakt der Marienkäfer. »Es war uns klar, daß diese Kampagne provokativ ist«, meint der künftige r.s.2- Geschäftsführer Andre Lucia. Mit der bekannten Benneton-Werbung habe die Kampagne nichts zu tun. »Wir wollten mit unserer Eigenwerbung zum Denken anregen und Themen aufgreifen, die sonst unter den Teppich gekehrt werden.«

Vor drei Monaten wurde Rias 2 privatisiert und sendet seitdem als r.s.2 (»ein anderer Name, das gleiche Programm«) aus der Weddinger Voltastraße. Anfang September endete das von der Lizenzbehörde erteilte dreimonatige Werbeverbot. Im Unterschied zu RTL 104,6 (»die größten Hits der 70er, 80er und 90er«) oder Energy (»Hits non stop«) zielt r.s.2 auf »soziale Spannungsthemen«, so r.s.2-Programmdirektor Jörg Brüggemann. Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) hat das offensichtlich nicht begriffen. Er findet die Werbekampagne »zynisch und abstoßend«. »Hier wird menschliches Elend zu Reklamezwecken vermarktet«, meint er. Statt zu provozieren, sollte der Sender lieber dem Büro für Suchtprophylaxe Sendezeit zur Verfügung stellen. Bemerkenswert an der Kampagne ist auch die unterschiedliche Plakatierung der Motive. Während in Ost-Berlin und Brandenburg die Fahrradfahrer und die Marienkäfer kleben, hängen im Westteil der Stadt die Fixer — ganz nebenbei mit der Nadel im falschen Einstichwinkel — und die Flüchtlingskinder. Dem Eindruck, daß r.s.2 Ostberlinern sozialpolitisch brisante Themen nicht zumuten will, widerspricht Brüggemann: »Das hat was mit den Texten zu tun«. Erfahrungsgemäß sei es mit den Englischkenntnissen der Ostdeutschen nicht weit her, daher habe es keinen Sinn, sie mit englischen Liedtexten zu konfrontieren. Ilona Marenbach