Noch ist Schlesien nicht verloren?

■ Tag der Heimat: NPD und Reps machten Stimmung/ Schäuble: deutsches Niederlassungsrecht in Polen

Charlottenburg. Beim »Tag der Heimat 1992« des Bundes der Vertriebenen in der Charlottenburger Sporthalle kam es gestern zu einem Eklat. Vor dreitausend TeilnehmerInnen entrollten NPDler ein Transparent, das Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigte. Der CDU/ CSU-Fraktionsvorsitzende, Wolfgang Schäuble, der gerade sprach, wich von seinem Redetext ab und sagte: »Ich glaube nicht, daß mit den Bildern einer kleinen Minderheit die Mehrheit einverstanden ist.«

Auch wenn Schäuble dafür Applaus von der Mehrheit der Teilnehmer des »Tages der Heimat« bekam, drohte die Veranstaltung zu kippen. Minutenlang zerrten Ordner und NPDler an dem vier-mal-vier-Meter großen Tuch. Immer wieder wurde Schäubles Rede unterbrochen. »Heuchler« schallte es von den Tribünen und: »Wir verschenken unsere Heimat nicht!«.

Schäuble sagte: »Unser deutsches Volk hat schwere moralische und politische Schuld auf sich geladen. Wir empfinden Trauer und Scham über all das Schreckliche, das den Menschen und Völkern in deutschem Namen und von deutscher Hand angetan worden ist.« Die ausbrechenden Buh-Rufe konterte Schäuble: »Mit Buh kommen wir an den historischen Wahrheiten nicht vorbei.« Allerdings forderte Schäuble von Polen und der Tschechoslowakei auch »Freizügigkeit und Niederlassungsrecht für ihre deutschen Nachbarn«. Nur dann könnten diese Länder Mitglied in der EG werden.

Der mittlerweile 43. »Tag der Heimat« war die Auftaktveranstaltung zu Vertriebenenkundgebungen in der ganzen Bundesrepublik. Der bald 80jährige Vertriebenenpolitiker Herbert Czaja forderte »bessere Verträge« als den im vergangenen Jahr mit Polen abgeschlossenen Freundschaftsvertrag.

Bereits am Eingang der Veranstaltung hatten Angehörige der »Republikaner« Flugblätter verteilt, auf denen Deutschland bis Kaliningrad reichte. Erstmalig eingeladen und offiziell vom Bund der Vertriebenen begrüßt war ein Sekretär der polnischen Botschaft. Marek Trzybinski sagte der taz, er stimme mit den Worten Schäubles überein, daß die Zeit »reif für die Versöhnung von Deutschen und Polen« sei. Christian Füller