Weiter Weg zur Süd-Süd-Verständigung

■ Blockfreien-Gipfel geht mit einer „Botschaft von Jakarta“ zu Ende/ Streit um Regionalkonflikte überschattet wirtschaftliche Fragen/ Islamische Staaten setzen Verurteilung Serbiens durch

Jakarta/Berlin (taz) — Der malaysische Premier Mahathir Mohamad sprach aus, was viele Vertreter der Blockfreien in Jakarta bewegte: Für die Staaten des Südens gehe es nun darum, sich der Vorherrschaft durch den Westen „zu unterwerfen oder zu widerstehen“. Sechs Tage lang diente der 10. Gipfel der Bewegung als Forum von 107 Mitgliedsstaaten und der PLO, und die verbreitete Angst vor der durch nichts mehr gebremsten militärischen und wirtschaftlichen Stärke der einzigen Supermacht USA — alliiert mit Europa und Japan — gehörte zu den wenigen Themen, die die Delegierten vereinigte. So erklärte Robert Mugabe, Präsident Simbabwes und einstiger Guerillaführer, der Dritten Welt sei die Rolle zugefallen, „wirtschaftlicher Sklave des reichen und entwickelten Nordens“ zu sein.

Solche Anschuldigungen seien nutzlos, hielt Singapurs Ministerpräsident Goh Chok Tong dagegen. Ganz im Sinne des Vorsitzenden der Bewegung, des indonesischen Präsidenten Suharto, der bereits vor der Konferenz einen pragmatischen und nicht-konfrontativen Kurs gefordert hatte, sagte Goh: „Unsere Bürger wollen wirkliche Verbesserungen in ihrem Leben sehen und erfahren, nicht mehr Ideologien und Rhetorik.“ Die Industrienationen würden nicht auf die wirtschaftliche Entwicklung der Dritten Welt warten. Die Zukunft sei in weiterer Nord- Süd-Kooperation zu finden. Wirtschaftliche Kooperation zwischen den Entwicklungsländern sei zwar erstrebenswert, doch praktisch undurchführbar. Ein afrikanischer Diplomat sagte es noch unverblümter: „Das Machtwort wird nur noch in Washington gesprochen.“

Auch in bezug auf die immer wieder geforderte Reform der UNO konnten sich die mehr als 2.000 Delegierten, darunter 60 Staats- und Regierungschefs, nicht einigen. Der Forderung nach Demokratisierung und der Abschaffung des Vetorechts im Sicherheitsrat wollten sich vor allem die reicheren Mitglieder aus Ostasien und die arabischen Golfstaaten nicht anschließen. Zu abhängig sind sie von der militärischen Schutzmacht USA geworden.

Die internen Streitigkeiten zwischen den Mitgliedsländern haben nach dem Ende des Kalten Krieges nicht abgenommen. Die Blockfreien waren machtlos, als Mitglied Irak das andere Mitglied Kuwait angriff, und sie mußten zusehen, wie im Golfkrieg arabische Staaten auf beiden Seiten der Front standen. Auch in Jakarta sprach der Vizepräsident des Irak, Taha Yaseen Ramadhan, wieder vom „historischen Gebietsanspruch“ seines Landes auf den Nachbarn. Und die Bemerkungen des Vertreters Pakistans über die Krise in Kaschmir wurden von seinem indischen Kollegen als unangebrachte „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ Indiens scharf zurückgewiesen. Als UNO-Generalsekretär Butros Ghali in seiner Gastrede über die UN-Friedensbemühungen in Afghanistan, Kambodscha, Somalia und Angola sprach, war dies für die Blockfreien eigentlich ein Armutszeugnis.

Die Abschlußsitzung am Sonntag verzögerte sich um sieben Stunden, da sich die Delegierten nicht über den Text einer Entschließung über den Konflikt in Bosnien-Herzegowina einigen konnten. Schließlich setzten sich Malaysia und andere Mitglieder der Islamischen Konferenzorganisation durch, die eine Verurteilung der „ethnischen Säuberungen“ durch Serbien gefordert hatten. Saudi-Arabien verhinderte dagegen, daß die Einrichtung der Flugsperrzone im Südirak verurteilt wurde, wie es der Irak verlangt hatte.

Der Streit über regionale Probleme hatte die wichtigen Themen wie Menschenrechte, Armut und andere Entwicklungsfragen in den Hintergrund geschoben. Auch wenn das Abschlußdokument des Gipfels, die „Botschaft von Jakarta“, eine künftige Verstärkung der Süd-Süd- Kooperation ankündigt und die friedliche Lösung von Regionalkonflikten, nukleare und konventionelle Abrüstung und die Bekämpfung der Armut zu den wichtigsten Zielen der Bewegung erklärt — das Treffen hat die Zweifel an der zukünftigen Rolle der Blockfreien nicht beilegen können. Der indonesische Präsident Suharto allerdings wurde nicht müde, das Gegenteil zu beschwören. „Die Bewegung wird an Stärke gewinnen“, sagte ihr Vorsitzender zum Abschluß. Mathias Eick/li

Siehe auch Seiten 6 und 10