Im Sommer tobt der Mango-Krieg

Wenn ägyptische Straßenjungs zu Geschäftspartnern werden  ■ Aus Kairo Karim el-Gawhary

Kairo im Sommer — das hat eigentlich nur zwei Vorteile: Die sonst hoffnungslos überfüllten Straßen der ägyptischen Hauptstadt sind relativ leer, denn wer es sich leisten kann, ist vor der Sommerhitze ans Meer geflüchtet, — und es ist Mango-Saison.

Gerade von letzterem hoffte ich ganz besonders zu profitieren. Als ich mich vor mehreren Monaten in eine Villa mitten in diesem Moloch Kairo eingemietet hatte, da waren es gerade die zwei vielversprechenden Mangobäume in dem kleinen Garten, auf die ich ein besonderes Auge geworfen hatte.

Eines Tages baumelte das erste dieser birnengroßen Exemplare direkt vor meinem Fenster. Ein kurzer fachmännischer Griff bestätigte meine Vermutung: noch unreif. Denn erst, wenn sich die Farbe von einem dunklen Grün in ein zartes Gelb verwandelt, naht der Tag der Ernte. Es versprach, ein Fest zu werden. Hunderte von Mangos reiften da draußen langsam vor sich hin. Noch ahnte ich nicht, wie sehr die Früchte mein Leben in den folgenden Wochen bestimmen würden.

Ein erster Verdachtsmoment kam auf, als ich eines Morgens wohlgelaunt nach draußen blickte. Mein ganz persönlicher Mango-Freund vor meinem Fenster war verschwunden. Das war der Beginn des großen Mango- Kriegs. Sie kamen von allen Seiten und zu allen Zeiten — die Kinder des Viertels: von gutbehüteten Bürgersöhnchen bis hin zu den rauhen Jungs von der Autowerkstatt am Ende der Straße.

Nun bin ich eigentlich kein Unmensch. Als die Kinder aber anfingen, die unreifen Früchte mit allerlei brauchbaren Gegenständen unseres Hausmülls herunterzuschießen, hörte der Spaß auf. Als dann auch noch diese lieblichen hohen Bäume wegen der unsanften Behandlung Blätter und Äste ließen, da beschloß ich, aus meiner Defensive herauszukommen. Insil — runter vom Baum! Barra — raus aus dem Garten! Dutzende von Kindern schwangen sich über Mauern und Gartentore, nur um wenige Minuten später zum nächsten Angriff überzugehen. Verzweifelt versuchte ich mich als wackerer Verteidiger der leidenden Pflanzen. Dank der modernen Technologie des tragbaren Computers verlegte ich meinen Arbeitsplatz strategisch auf den Balkon, direkt neben dem corpus delicti. Während ich mich auf die Nahostverhandlungen in Washington zu konzentrieren suchte, raschelte es wieder im Geäst. Am Ende des Tages hatte ich die Bäume mehr schlecht als recht verteidigt. Einige abgebrochene Äste, ein gutes Dutzend abgelutschter Mangokerne und ein Schipschip, ein Badeschlappen Größe 34, zeugten vom Kampfgeschehen. Auf dem Bildschirm meines Computers war lediglich der Einleitungssatz zu lesen: „US- Präsident Bush ist optimistisch...“ Frustriert ging ich zu einer neuen Strategie über und griff mir am nächsten Tag einige der jungen Eindringlinge. Wir kamen schnell ins Geschäft. Sie klettern auf den Baum und ernten vorsichtig soviel Mangos wie möglich. Am Ende wurde zwischen Arbeiter und Produktionsmittelbesitzer geteilt.

Die Nachricht vom kooperationsbereiten Mangobaumbesitzer sprach sich wie ein Lauffeuer herum. An Geschäftspartnern sollte es in den folgenden Tagen kaum mangeln. Von nun an wurde ich nicht mehr von abbrechenden Ästen, sondern von der stürmischen Betätigung der Türklingel terrorisiert. Mit einem kurzen „Ya Amu, Aisiyn Manga“, Onkel, wir wollen Mangos, wurden nun die Geschäfte für allerlei Dienstleistungen abgeschlossen. Egal, ob der Briefträger Post einwarf, oder ob die Kinder aus der konkurrierenden Straße sich über die begehrten Bäume hermachten — gegen Mango- Währung wurde ich unverzüglich benachrichtigt.

Die Kinder der Straße — und es gibt deren viele — kenne ich inzwischen alle persönlich. Wie unter Geschäftspartnern üblich, wird freundlich gegrüßt. Auf den beiden Mangobäumen herrscht nun gähnende Leere. Nicht nur der US-Präsident, auch ich kann jetzt wieder optimistisch in die Zukunft blicken.

Diese zuversichtliche Stimmung wird allerdings jäh durch ein Knacken von Ästen unterbrochen. Ein kurzer Blick aus dem Fenster raubt dem Baumbesitzer alle Illusionen herrschaftlicher Geschäftsphilosophie: Auf der Suche nach neuer Beute haben meine vermeintlichen Partner den Zitronenbaum hinterm Haus entdeckt.