Ein „Macht's gut“ für die Neonazis

Wie in Kelheim die „Nationalistische Front“ auf kommunales Wohlwollen stößt  ■ Aus Kelheim Bernd Siegler

Günther Blumberg, Abteilungsleiter für Sicherheit und Ordnung im Landratsamt der niederbayerischen Kleinstadt Kelheim, ist in seinem Element. Am Samstag steht er bereits um 7.30 Uhr am Wöhrdplatz an der Donau und wartet auf die ihm vom bayerischen Verfassungsschutz angesagten „Frankfurter Autonomen und linksradikalen Sympathisanten aus Nürnberg“. Die sollen sich dem Aufruf der Regensburger „Antirassistischen Initiative“ angeschlossen haben, um in Kelheim gegen einen offiziell zugelassenen Aufmarsch der militanten neofaschistischen „Nationalistischen Front“ (NF) zu demonstrieren. Mit Verweis auf nachrichtendienstlichen Erkenntnisse hatte Blumberg zunächst die antirassistische Demonstration verboten. Das Verwaltungsgericht Regensburg wollte seiner Argumentation jedoch nicht folgen.

Blumberg wartet an diesem Morgen vergeblich auf die hessischen Autonomen. Die Nürnberger „Linksradikalen“ kommen schließlich etwas verspätet und sichtlich übermüdet zum Treffpunkt. Sie haben in der Nacht bei eisiger Kälte Mahnwachen vor den Flüchtlingswohnheimen in Kelheim und dem nahen Abensberg abgehalten. Obwohl es nicht zu den vom bayerischen Verfassungsschutz angekündigten Auseinandersetzungen kommt, ist Blumberg auf die „Antirassistische Initiative“ nicht gut zu sprechen. „Der Anmelder hat schon gegen den Weltwirtschaftsgipfel in München demonstriert“, weiß er hinter vorgehaltener Hand zu vermelden. „Da ist die NF doch wesentlich handsamer“, lobt der Abteilungsleiter für Sicherheit und Ordnung dagegen die neonazistische Gruppe, die im Landkreis Kelheim mit einem Kandidaten zu den Landratswahlen am 20. September antritt.

Da die NF eine beim Bundeswahlleiter eingetragene Partei ist, hatte ihr stellvertretender Bundesvorsitzender Andreas Pohl, einst Mitglied der Skinhead-Band „Kraft durch Froide“ und des rechtsradikalen Hertha- BSC-Fanclubs „Endsieg“, keinerlei Schwierigkeiten, mit seiner Kandidatur im Landkreis zugelassen zu werden. Die nach dem bayerischen Wahlrecht nötigen zehn Unterschriften waren kein Problem, verfügt die NF doch seit April in Kelheim über einen Kreisverband. Dessen Vorsitzenden, den Raffineriearbeiter Jürgen Eckmann, schätzt Blumberg als kooperativen Verhandlungspartner. „Die NF hat von sich aus auf eine Abschlußkundgebung in Kelheim verzichtet“, lobt er die Gruppierung, die aus ihrer Gewaltbereitschaft gegen AusländerInnen keinen Hehl macht.

Die 1985 gegründete NF versteht sich als „nationalrevolutionäre Kaderorganisation“. Sie propagiert einen völkischen Antikapitalismus und Antiimperialismus und hat mit dieser Ideologie in den neuen Bundesländern einen enormen Zulauf. Von ihrem bundesweiten Zentrum in Detmold-Pivitsheide aus versucht die NF, insbesondere aus der Skinhead- und Hooliganszene neue Aktivisten zu rekrutieren. Der im letzten Jahr gestartete Aufruf zum Aufbau eines „Nationalen Einsatzkommandos“ für den „Kampf für ein völkisches Deutschland“ brachte der NF ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Gründung einer terroristischen Vereinigung ein.

Die Zielsetzung der NF ist eindeutig. Bei ihrem Bundestreffen im April letzten Jahres kündigte sie an, daß man „den Ausländern den Aufenthalt so unbequem wie möglich machen“ wolle. Mit Sprüchen wie „Helft mit, das Holz zusammenzutragen, aus dem wir ein Feuer machen wollen“ in den NF-Mitteilungsblättern „Aufbruch“, „Klartext“ und „Revolte“ versucht die Organisation, ihre Mitglieder zur rassistischen Aktion anzustacheln. Die Nähe zwischen Propaganda und todbringender Aktion bewies im Dezember 1988 das 19jährige NF-Mitglied Josef Saller. Er verübte in Schwandorf einen Brandanschlag auf ein überwiegend von türkischen Familien bewohntes Haus. Vier Menschen kamen dabei ums Leben.

Das alles weiß auch Günther Blumberg. „Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut“, rechtfertigt er aber seine Entscheidung, die NF-Demonstration gegen den ausdrücklichen Willen des Kelheimer SPD-Bürgermeisters Heinz Reiche zuzulassen. Blumberg stört es auch nicht, daß sich gegen seine Entscheidung ein „Demokratisches Bündnis“ aus SPD, Grünen und Junger Union formiert hat und 600 Menschen vor dem Flüchtlingswohnheim gegen den wachsenden Rassismus demonstrieren.

Auch daß die NF nun mit 40 meist kurzgeschorenen Sympathisanten „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ skandierend durch die Kelheimer Innenstadt zieht, kann den Mann für Sicherheit und Ordnung nicht aus der Reserve locken. „Wissen Sie, wenn das Volksverhetzung sein soll, dann müßte ich ja jeden Stammtisch wegen Volksverhetzung belangen“, subsumiert Blumberg die Sprechchöre der Neonazis unter das Grundrecht auf Meinungsfreiheit.

Mit den 18- bis 25jährigen NF-Aktivisten hat Blumberg nichts am Hut. Dafür steht er aber in ständigem Kontakt mit den Herren, die im seriösen Outfit im Hintergrund die Fäden ziehen. Mit einem kameradschaftlichen „Macht's gut, gell“ verabschiedet Blumberg nach dem Ende der NF-Demonstration den Regensburger NF-Rechtsanwalt Herzogenrath-Amelung, den Oberpfälzer NF-Chef Volker Göttlinger, den Kelheimer Vorsitzenden Jürgen Eckmann und den an der Spitze des Zuges marschierenden Chefs der spanischen neofaschistischen Eliteorganisation CEDADE, Pedro Varela. Spitzenkandidat Pohl fehlte in Kelheim. Er war auf der Fahrt von Pivitsheide nach Kelheim im Stau steckengeblieben.