"Ich schäme mich nicht"

■ Weil die Saga ein niedliches Häuschen verrotten ließ, konnte Saga-Justitiar Wolfgang Dirksen ein "Schnäppchen" machen

machen

In der Geschichte haben sich viele Philosophen über den Widerspruch zwischen Theorie und Praxis Gedanken gemacht — wahre Bände geschrieben. Im gleichen Dilemma steckt wohl auch Hamburgs bekannter Räumungsapostel Wolfgang Dirksen. Einerseits ist er für viel Geld von der Stadt dafür angeheuert worden, billigen Wohnraum am Pinnasberg abreißen zu lassen oder günstiges alternatives Wohnen in der Hafenstraße zu lequidieren, andererseits weiß Dirksen selbst preiswerten Wohnraum durchaus zu schätzen. Auch er wohnt in einem Saga-Häuschen zur „Schnäppchen-Miete“ von nur knapp acht Mark pro Quadratmeter.

Dirksen — vor zehn Jahren frisch gebackener Saga-Justitiar, der nach eigenen Angaben noch in seiner „Studentenbude“ hauste — bestreitet aber damals Nutznießer von Saga-Vetternwirtschaft oder SPD-Genossenfilz geworden zu sein. Dirksen: „Als ich vor zehn Jahren dort eingezogen bin, ist mir die Wohnung vom Wohnungsamt vermittelt worden.“ Als Saga-Mitarbeiter wäre es damals auch gar nicht möglich gewesen, an eine Saga-eigene Wohnung zu kommen. Es sei denn, sie wurde durch das Wohnungsamt als „unvermittelbar“ eingestuft. So im Fall Oberstraße 28. Dirksen: „Die Wohnung war eine derartige Katastrophe.“ Wie die Hafenstraßen-Häuser und der Pinnasberg war auch die Oberstraße Opfer der stadtstaatlichen Saga-Kaputtverwaltungspolitik geworden. Die Saga hatte das niedliche dreigeschossige Häuschen verrotten lassen! Dirksen: „Die Saga hatte damals schlicht nichts mehr in die Instandsetzung gesteckt.“

Und noch eine Paralelle zur Hafenstraße tut sich auf: Was die BewohnerInnen am Hafenrand im Großen praktizierten — nämlich die Gebäude zu besetzten, um die marode Zeile in Eigeninitiative zu retten — machte Dirksen mehr in „Unser-Trautes-Heim“-Manier im Kleinen: Er mietete die Dachgeschoß-Wohnung zum Spottpreis an und renovierte sie in Eigeninitiative. Dirksen: „Wir mußten da erstmal komplett neue Fenster einsetzen, anders wäre die Wohnung nicht nutzbar gewesen.“ Wenn Dirksen das Gewissen in Sachen Pinnasberg und Hafenstraße auch manchmal plagt, kann er wohl wegen des „Schäppchen-Domizils“ ruhig schlafen. „Ich schäme mich nicht, in dieser Saga-Wohnung zu sitzen.“ Er gesteht allerdings ein: „Selbstverständlich fühl ich mich dort wohl.“ Und für acht Mark sei das traute Heim in bester Lage heute bestimmt nicht mehr zu haben. Und eine stadtstaatlich angeordnete polizeiliche Räumung braucht Dirksen sicherlich nicht zu fürchten. Kai von Appen