Amateure haben Scheu vor Profi-Status

■ Abgeordnete reagieren zurückhaltend auf die Vorschläge zur Parlamentsreform / Kritik an Diätenerhöhung und Filz-Verbot

/ Kritik an Diätenhöhe und Filz-Verbot

Skepsis, Verunsicherung, Rückzugstendenzen, nur vereinzelter Beifall. Hamburgs Noch-Feierabend-Parlamentarier reagierten gestern nicht gerade euphorisch auf die Vorschläge der Enquete-Kommission zur Reform der Bürgerschaft. Umstritten vor allem die

Höhe der Diäten (6800 Mark) und das Filz-Verbot, die strikte Unvereinbarkeit zwischen Mandat und einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst oder an der Spitze eines städtischen Unternehmens.

40 von 121 Abgeordneten arbeiten im öffentlichen Dienst. Sie alle müßten sich vor der nächsten Bürgerschaftswahl 1995 entscheiden, ob sie sich für die Politik beurlauben lassen wollen. Job oder Parlament? taz-Stichprobe bei Betroffenen:

Barbara Duden (SPD), Bibliothekarin bei den Öffentlichen Bücherhallen: „Ich bin froh, daß ich noch drei Jahre Zeit habe, bis ich mich entscheiden muß.“

Antje Blumenthal (CDU), Verwaltungsleiterin im Finanzbauamt: „Ich würde meinen Beruf nicht auf geben.“

Reinhard Soltau (FDP), Oberstudi-

enrat: „Im Zweifelsfall würde ich mich für meinen Beruf entscheiden.“

Karl-Heinz Ehlers (CDU), Chef der städtischen Sprinkenhof AG: „Der Beruf ist das Bein, die Politik die Prothese, ich bliebe im Beruf.“

Ihn könnten auch die 6800 Mark nicht locken, die künftig jeder Abgeordnete erhalten soll. Der Preis der Professionalisierung ist auch der FDP ein Dorn im Auge. Ihr Vertreter in der Enquete-Kommission, Frank-Michael Wiegand, hatte im Gegensatz zu seinen Kollegen von SPD, CDU und GAL die Profi- Reform abgelehnt. Parteichef, Diätenkritiker und Wohnungsmogul Rober Vogel wetterte dann gestern auch am heftigsten: Unangemessen viel, Bescheidenheit sei gefragt. Vogel sieht sich „fatal an die große Diätenkoalition“ erinnert. Unterstützung kam auch von CDU-Fraktionschef Rolf Kruse. Er hält 6800

für „zu viel“, will aber, wie die meisten seiner Kollegen, erst einmal den Gesamt-Bericht der Enquete- Kommission abwarten, der im Oktober vorgelegt werden soll.

Ganz unschuldig am eher miesen Echo sind die Kommissionsmitglieder nicht. Den von Gremiums-Chef Hoffmann- Riem eigentlich favorisierten Vorschlag, den Abgeordneten nur dann 6800 Mark auszuzahlen, wenn sie auch als Vollzeit-Parlamentarier arbeiten, hatte die Mehrheit der 15 Kommissionsmitglieder abgelehnt. Nun sollen auch Halbprofis und Amateure, die „nebenbei“ noch einen Beruf ausüben, das volle Profi-Gehalt bekommen. Ein Schwachpunkt, das gesteht auch Wolfgang Hoffmann-Riehm ein, „aber das andere Modell war nicht durchsetzbar.“

Ob es das jetzt vorgestellte ist?

Angesichts des populistischen Bild- Rundumschlags gegen den Vorschlag („neuer Diäten-Skandal“) vermutet SPD-Fraktionschef Elste: „Wenn das so weitergeht, hebt keiner die Hand dafür.“

uex