»Die Firmen setzen die Busfahrer unter Druck«

■ Auf die Unfallhäufung der letzten Wochen reagieren Bus-Passagiere gelassen/ Lenkzeit-Überschreitungen sind an der Tagesordnung/ Mängel bei der passiven Sicherheit/ Knallharter Wettberwerb zwingt Familienunternehmen in die Knie

Berlin. Das Image des Reisebusses als »sicherstes landgebundenes Verkehrsmittel« ist nach dem schweren Busunfall am Wochenende in Donaueschingen schwer angekratzt: 32 Menschen kamen in den vergangenen acht Wochen bei Busunfällen in der Bundesrepublik ums Leben. Drei schwere Busunglücke in weniger als zwei Monaten machen die Erklärung, es handle sich um eine zufällige Häufung, nicht gerade glaubhafter.

Doch die Ursachen für die Häufung der Unfälle sind vielfältig: Sicherheitstechnisch wurden die Busse jahrelang stiefmütterlich behandelt, weil Crash-Tests mit Bussen den Herstellern zu teuer waren. Einerseits sind Sicherheitsgurte noch immer nur für Begleitsitze vorgeschrieben, andererseits sind moderne Reisebusse heute mit Elektronik vollgestopft. Retarder-Bremsen und Anti- Blockier-Systeme sollen die aktive Sicherheit erhöhen, dabei blieben Entwicklungen zur Verbesserung der passiven Sicherheit (des Fahrgastschutzes) auf der Strecke.

Ohne Zweifel hat sich aber auch die Wettbewerbssituation in den letzten drei Jahren verschärft. Besonders um die Reisenden von Linienverbindungen liefern sich die Unternehmen einen knallharten Preiskampf, den viele kleinere Familienunternehmen inzwischen aufgeben mußten. Klaus Brass beobachtet als Mitarbeiter der Firma »Prima-Klima-Reisen« die Marktentwicklung seit mehr als zehn Jahren. Mit sieben Bussen gehört »Prima-Klima« zu den spezialisierten Zwergen. »Für 99 Mark nach London, das reicht gerade, um den Sprit zu bezahlen. Da können wir nicht mithalten«, kommentiert Brass den knallharten Preiskampf. Kein Wunder, daß Busunternehmer unter diesen Marktbedingungen versuchen, Personalkosten einzusparen. Überschreitungen der gesetzlich vorgeschriebenen Lenkzeit und die Mißachtung der Ruhezeiten sind die Folge. Dabei werden die Methoden, die Diagrammscheiben der Fahrtenschreiber zu manipulieren, immer raffinierter. In Berlin kontrolliert das Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit (LafA) zwar die Einhaltung der Lenkzeit, die in der Woche 56 Studen nicht überschreiten darf, gegenüber dem Austausch von Fahrern zwischen einzelnen Unternehmen in der Türkei oder in Italien ist die Berliner Behörde jedoch machtlos. Busfahrer, die auf der Strecke Berlin-Livorno nicht ausgewechselt werden, sind ebenso keine Seltenheit wie Busunternehmer, die auf der Strecke Berlin-Istanbul nur zwei Fahrer einsetzen. Ob nach viereinhalb Stunden reiner Fahrtzeit die vorgeschriebenen Pausen eingehalten werden, ist bei dieser Wettbewerbslage unwahrscheinlich. 1991 kontrollierte das LafA 27.000 Fahrtenschreiberblätter von Bussen und Lkws und stellte 16.000 Verstöße gegen die Arbeitszeitordnung fest.

Christian Hohensee betreut für die Berliner ÖTV Busfahrer, von denen kaum mehr als zwanzig Prozent überhaupt gewerkschaftlich organisiert sind. Für Hohensee sind private Reisebusunternehmen eine »Problembranche«: »Es wird zwar hier in Berlin streng kontrolliert, aber ich weiß von unseren Mitgliedern, daß sie von ihren Arbeitgebern oft unter Druck gesetzt werden und daß bei der Einhaltung der Ruhezeiten viel geschludert wird.«

Selbst der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) kritisiert, wie einfach es in Deutschland ist, ein Reisebusunternehmen zu gründen. Weder eine solide finanzielle Basis noch ein qualifizierter fachlicher Nachweis seien Voraussetzung für eine Geschäftsgründung, sagte der Geschäftsführer des BDO, Gunther Mörl.

Drei Stunden nach dem schweren Busunglück am Sonntag herrschte am Zentralen Omnibusbahnhof am Kaiserdamm die übliche Betriebsamkeit. Ein Busfahrer meinte: »Meine Fahrgäste haben nur gewitzelt und gesagt, ich solle nicht in den Graben fahren.« Rüdiger Soldt