4U:„Alles andere ist nur Radio...“

■ Die Jugendwelle des SFB Radio 4U wird zum Jahresende eingestellt

Am 31. Dezember soll Radio 4U der Saft abgedreht werden. SFB-Intendant Günter von Lojewski will die Jugendwelle einstellen. Der Grund: Der chronisch defizitäre SFB muß sparen, denn Ende 1993 steuert er einem Fehlbetrag von 50 Millionen Mark entgegen. Statt rund 27 Millionen stehen dem SFB-Hörfunk nur noch 21 Millionen Mark zur Verfügung, da Lojewski das neue Dritte Fernsehprogramm B1 mit Hörfunkmitteln finanzieren will. Nach Radio 100 und DT64 wäre damit innerhalb von eineinhalb Jahren der dritte Jugendsender von der Berliner UKW- Skala gefegt.

Während sich der SFB offenbar gänzlich aus der Zielgruppe der 18- bis 35jährigen zurückziehen und sie den durchgestylten Privatsendern überlassen will, plant der ORB zur Zeit eine neue junge Welle mit dem Arbeitstitel „Fritz“.

Radio 4U, seit zwei Jahren im Äther, konnte zwar mit einigen Preisen wie dem „New York Radio Award“ glänzen, jedoch nicht mit Einschaltquoten. Bei der letzten Reichweitenuntersuchung kam das Programm auf eine Tagesreichweite von 3,4Prozent. Bei der eigentlichen Zielgruppe wurden immerhin 12,7Prozent erreicht, dabei ist Radio 4U aufgrund geringer technischer Sendeleistung nicht einmal überall in Berlin zu hören.

Mit der Programmeinstellung nabelt sich der SFB von seinem eigenen Nachwuchs ab und verliert nicht nur die junge Hörerschaft, sondern auch die MitarbeiterInnen. Im Unterschied zu anderen SFB-Programmen sind nur wenige 4U-MitabeiterInnen fest angestellt. Sie werden, so versicherte der Intendant bei einer Hausversammlung am Montag, nicht entlassen, sondern bekommen andere Aufgaben zugewiesen.

Was mit den über 70 freien MitarbeiterInnen passieren wird, darauf hatte er keine Antwort. Doch bei Berlins Privatsendern besteht akuter Bedarf nach gut ausgebildeten RedakteurInnen, ReporterInnen und ModeratorInnen.

Eigentlich hätte ab 1.Oktober ein von ORB und SFB gemeinsam gestaltetes Jugendprogramm auf Sendung gehen sollen. Doch vor zwei Monaten kündigte ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer die Zusammenarbeit auf.

Untersuchungen hatten ergeben, daß die erfolgreiche ORB-Welle, Antenne Brandenburg, mit 48 Prozent zwar eine Traumquote erreichte, aber kaum von jüngeren Hörern eingeschaltet wurde. „Um die jungen HörerInnen an das ORB- Programm heranzuführen“, wurde der ehemalige Direktor des privatisierten Berliner Rundfunks, Jürgen Itzfeldt, mit der Koordination von „Fritz“, der „jungen Welle nicht ohne Inhalt“ , so Rosenbauer, beauftragt.

ORB-Hörfunkdirektor Hirschfeld ist bereit, die Radio-4U-Kernfrauschaft zu übernehmen. Für die ist das Angebot aus Potsdam ebensowenig verlockend wie die Aufforderung Lojewskis, sich an der Verjüngung von SFB2 zu beteiligen. In einem Akt wilder Verzweiflung hat die Radio-4U-Redaktion nun ein eigenes Alternativkonzept zur Finanzierung des Programms vorgelegt.

Demzufolge wollen sie für 1993 einen „neuartigen Finanzweg“ beschreiten: Die Redaktion will selber Werbung akquirieren und nach Sponsoren Ausschau halten. Am Montag abend stand das 4U-Telefon nicht mehr still. Ein Hörer brachte es auf den Punkt: „Da wundern die sich über Rostock, wenn sie den Jugendlichen Stück für Stück alles kaputtmachen.“

Kurz vor dem Sendebeginn von B1 kann Lojewski eigentlich keine Negativschlagzeilen brauchen. Nach der Kündigung des N3-Verbundes durch den NDR will der SFB ab 1.Oktober mit einem eigenen Dritten Fernsehprogramm an den Start gehen. „B1“, das Metropolenfernsehen mit „Abendschau“, „Abendschau Express“, der Game- Show „Tip-Top“ und ähnlichen Dingen, ist das neue Lieblingskind von Lojewski.

Schon auf der letzten SFB- Rundfunkratsitzung hatte CDU- Fraktionsvorsitzender Klaus Rüdiger Landowsky sein Wohlwollen für B1 signalisiert, aber, so meinte er weiter, vier Hörfunkprogramme seien dann nicht finanzierbar. Dabei betragen die jährlichen Programmkosten für 4U nur 2,7 Millionen Mark. Im vergangenen Jahr spielte das Programm netto rund 1,5 Millionen Mark ein, das heißt, der SFB spart mit der Einstellung etwa 1,2 Millionen Mark. Wie die taz erfuhr, hat der Sender gerade rund fünf Millionen Mark als erste Rate aus der Ausschüttung des rundfunkspezifischen Vermögens der ehemaligen Einrichtung erhalten. Statt damit eine Weiterfinanzierung von 4U zu ermöglichen, soll das Geld als Rücklage genutzt werden. Ein letztes Wort hat darüber noch der Rundfunkrat zu sprechen. Ilona Marenbach