Die häßliche alte Fratze

■ Das Blutbad im Homeland Ciskei straft alles Gerede vom "neuen Südafrika" Lügen

Die häßliche alte Fratze Das Blutbad im Homeland Ciskei straft alles Gerede vom „neuen Südafrika“ Lügen

Kaum schweigen die Gewehre der Soldaten des südafrikanischen Kunststaats Ciskei, hagelt es in Südafrika gegenseitige Vorwürfe. Verantwortung müssen beide Seiten übernehmen: der von Südafrika ausgehaltene Tyrann Qgozo für den kaltblütigen Schießbefehl und der ANC, weil er um das Risiko der Konfrontation wissen mußte.

Die Schergen von Brigadier Oupa lieferten am Montag einen furchtbaren Beweis kaltblütiger Menschenverachtung. Sie schossen mit ihren Gewehren nicht in die Luft, um die 40.000 Demonstranten zu vertreiben, sie zielten sogar dann noch in die Menge, als die ANC-Anhänger schon davonliefen, und versuchten selbst am Boden liegende Menschen zu treffen. Nach einer kurzen Feuerpause feuerten sie ein zweites Mal — diesmal auch mit Granaten. Und sie schossen gezielt in die Gruppe um ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa, die den Marsch führte.

Möglicherweise erstickte Qgozo mit dem Blutbad auch alle Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme von Verhandlungen. Südafrikas Staatschef de Klerk jedenfalls kann seine Hände nicht in Unschuld waschen. Jeder Pfennig, den die sogenannte Regierung des Homelands Ciskei ausgibt, stammt aus dem Portemonnaie Pretorias. Jede Uniform, jedes Gewehr und jede Kugel wird von Südafrika bezahlt — ganz zu schweigen von weißen Offizieren, die an die „Armee“ des „Homelands“ ausgeliehen werden. Die Mär von der sogenannten Unabhängigkeit entlarvte Pretoria am Montag selbst. Solange die Soldaten der Ciskei auf schwarze Demonstranten schossen, mischte man sich nicht ein. Doch dann tauchten plötzlich 150 südafrikanische Soldaten in Bisho, der „Hauptstadt“ der Ciskei, auf, um, so die Rechtfertigung, Geschäfte gegen Plünderungen zu schützen — Geschäfte weißer Südafrikaner. Bigadier Qgozo ist ein Verbündeter de Klerks. Er redet von Demokratie und erlaubt in der Ciskei nicht den Hauch freier Meinungsäußerung. Ein Tyrann, gegen den eine Demonstration ein gerechtfertigtes demokratisches Mittel ist. Der ANC verkündete bereits, er wolle auch die Chefs der Homelands von Boputhatswana, Kwa Zulu und Qua Qua mit Demonstrationen bedrängen. Seit Montag ist klar, daß die Marionetten Pretorias dies als Kriegserklärung verstehen.

Dennoch muß Nelson Mandela wohl überlegen, ob er den vorhersehbaren Verlust von Menschenleben noch verantworten kann. Zumal Hitzköpfe wie der ehemalige ANC-Untergrundchef Ronnie Kasrils mit irrsinnigen und unverantwortlichen Aktionen das Konfliktpotential erhöhen. Er führte die Gruppe an, die einen Zaun durchbrach und den Soldaten den Vorwand zum Schießen lieferten.

Vielen ANC-Anhängern fehlt langsam die Geduld, sich weiter abschlachten zu lassen. Die Strategie der Proteste und Streiks, das einzige verbleibende Mittel — nach Beendigung des erfolglosen bewaffneten Widerstands —, mit dem der ANC Südafrikas Regierung unter Druck setzen kann, birgt in ihrer relativen Erfolglosigkeit die Gefahr, Südafrika an den Rand des Bürgerkriegs zu steuern. Alles wäre obsolet, wäre die weiße, undemokratische und illegitime Minderheitsregierung von Staatspräsident de Klerk endlich zu einem raschen und überfälligen Machtwechsel bereit. Das Blutbad von Bisho erinnert in seiner ganzen Kaltblütigkeit an südafrikanische Zeiten, die längst vergangen schienen. Das „neue Südafrika“, das de Klerk immer wieder beschwört, ist nicht mehr als Beschwörungsformel, solange Leute wie Qgozo an der Macht bleiben. Willi Germund, z.Zt. Ciskei