Die seltsamen Wohnungsgeschäfte der "OTI"

■ Mieterverein erstattet Strafanzeige gegen "ökologische Stiftung" / Kripo ermittelt zaghaft / Sitz der Zentrale unklar

gegen „ökologische Stiftung“ / Kripo ermittelt zaghaft / Sitz der Zentrale unklar

Mit immer raffinierteren Methoden wird gutgläubigen Interessenten bei krummen Wohnungsvermittlungsgeschäften das Geld aus der Tasche gezogen — eine Folge der wachsenden Wohnungsnot. „Mieter helfen Mietern“ (MhM) glaubt nun einem neuen Schwindel auf die Spur gekommen zu sein: Der Mieterverein hat Strafanzeige wegen „Verdachts auf Betrug“ gegen die Firma „OTI“ (Öko-Tec-International) erstattet. MhM-Justitiarin Sylvia Sonnemann: „Mit dieser Firma stimmt irgend etwas

1nicht.“ Die Kripo hat zaghafte Ermittlungen eingeleitet, die taz recherchierte.

Uschi Braun* glaubt ihren Augen nicht, als sie am 8. August die Wochenendausgabe des Hamburger Abendblatts aufschlägt: „3-Zimmerwohnung, 76qm, Semperstraße, Miete 769 Mark“. Die junge Frau eilt zum Telefon und wählt die angegebene Nummer. Am Ende des Anschlusses nur ein Anrufbeantworter.

Uschi Braun hat die Angelegenheit fast schon vergessen, als am Mittwoch darauf ihr Telefon klingelt und sich ein „Herr Bauer“ von der „OTI“ meldet. Er arbeite im Auftrag einer stiftungsähnlichen Genossenschaft, der in Hamburg einige Wohnungen gehörten. Da die Hamburger „OTI-Consulting“ im Umweltbereich tätig sei, dürfe sie aber hier nicht offiziell als Makler auftreten und Besichtigungstermine durchführen. Wenn Uschi Braun aber bereit wäre, „blind“ einen Genossenschaftsanteil für die Semperstraßen-Wohnung in Höhe von 3000 Mark zu zahlen — ohne das Mietobjekt gesehen zu haben—, habe sie sozusagen sofort zu 100 Prozent den Zuschlag, könne die Wohnung zum 15. September beziehen. Sie müsse sich aber beeilen, es gebe noch andere Interessenten.

Uschi Braun wird stutzig, ruft bei MhM an. Dort ist die „OTI“ bestens bekannt, füllt bereits einen Aktenordner. So hatten sich seit Anfang Juni OTI-Vertreter bei mehreren Personen gemeldet, die via Avis-Annoncen eine Wohnung gesucht hatten. In allen Fällen war ein freundlicher Mann am Telefon, der sich zu einer Stippvisite ankündigte. Dabei versprach er Wohnungen in der Lutterothstraße (Eimsbüttel) oder Am Felde (Altona), ohne die Mietobjekte näher zu bezeichnen. Die Adresse dürfe er nicht nennen, bevor die Interessen-

1ten keine Genossenschafter seien. Auch Unterlagen hatte der freundliche Herr niemals dabei — die befanden sich angeblich gerade in der Druckerei –, außer natürlich dem Quittungsblock für den erwarteten Genossenschaftsanteil. Und immer wurde dezent, aber eindringlich der Rat erteilt: Wer sofort zahlt, bekommt den Zuschlag. Wer nicht sofort zahlt, müsse sich gedulden, „auf die Unterlagen aus der Zentrale“ warten.

Diese Zentrale befand sich nach mündlichen Angaben mal in Holland, mal in Liechtenstein, dann in Lübeck, Frankfurt oder Stuttgart. Auch die maschinengeschriebenen Aufnahmeformulare wandelten sich schnell. Mal war zu lesen: „OTI Holding S.A, OTI Consulting Co., OTI Kulturstiftung, Vaduz FL.“ Dann: „OTI S.A. Luxembourg, OTI Consulting Co., Guernsey“.

Uschi Braun ist nach dem Hinweis von MhM neugierig, macht sich — zusammen mit einem aus der taz-Redaktion ausgeborgten Eintags-Verlobten — auf den Weg in die Hamburger OTI-Dependance in der Reimerstwiete 19. Im oberen Stockwerk des historischen Fachwerkhauses befindet sich tatsächlich die OTI. Die Büroausstattung ist karg: ein großer leerer Raum, in der äußersten Ecke ein Schreibtisch mit Personalcomputer. Ein freundlicher Herr, der sich nicht vorstellt, vertröstet: „Herr Bauer ist leider nicht da.“ Aber gewisse Einzelheiten könne er auch erklären. Und wieder die gleiche Masche: „Wenn Sie sofort den Genossenschaftsanteil zahlen, haben Sie die Wohnung Semperstraße so gut wie sicher.“ Kleine geschickte Einschränkung: „Es sei denn, Herr Bauer hat gerade in diesen Minuten einen Interessenten gefunden.“ Uschi Bauer zeigt sich interessiert, ihr wird ein Eintrittsformular für die Genossenschaft sowie eine provisorische Satzung überreicht. Auf diesen Formularen hat nun die „genossenschaftliche Vereinigung der OTI-Stiftung“ ihren Sitz in München. Uschi Braun bittet den OTI- Vertreter, ihr dennoch die Unterlagen aus der „Münchner Zentrale“ zuzusenden. Seither hat sie nichts mehr von der OTI gehört.

Dafür aber die Mitarbeiter von MhM. Sylvia Sonnemann: „In den letzten Tagen haben sich in Sachen OTI schon wieder mehrere Personen gemeldet.“ Diese berichteten von einem regen Betrieb im OTI- Büro in der Reimerstwiete. Die Kriminalpolizei indes tut sich mit dem Fall schwer: Es gebe bislang keine Geschädigten, rechtfertigt ein Beamter die Zurückhaltung. In der Tat: Da natürlich nicht diejenigen, die gutgläubig Genossenschaftsanteile gezeichnet haben, sich anschließend skeptisch bei MhM melden, wird womöglich bei den neuen OTI-Genossenschaftlern erst nach dem 15. September der Katzenjammer beginnen.

Bei OTI konnten am Dienstag dieser Woche die ersten Rückzugstendenzen verzeichnet werden. Gegenüber MhM erklärte der Hamburger OTI-Beauftragte Matthias Madsen, die Stiftungszentrale in der Münchner Kaiser Wilhelmstraße 15 — c/o Wilk, München 1 werde alle Hamburger Wohnungen verkaufen, weil es Ärger mit der Gewerbeaufsicht gegeben habe.

1Matthias Madsen gestern zur taz: „Wir haben keine Wohnungen mehr anzubieten.“ Alle Hamburger Wohnungen seien „notariell“ an einen neuen Besitzer übertragen worden.

Sylvia Sonnemann von MhM ist über die Laschheit der Polizei verärgert: „Auch versuchter Betrug ist strafbar.“ Die Kripo: „Wir ermitteln vor Ort“ — gemeint ist München — „wir haben aber noch keine Antwort aus München be-

1kommen.“ Für die taz arbeitete die Münchner Polizei allerdings schneller. Eine Polizeisprecherin: „In München ist nichts bekannt von dieser Firma. Wir haben keine Erkenntnisse.“ Und eine Überprüfung des Münchner Vereinsregisters durch MhM-Mitarbeiterin Helga Schlumberger ergab: „Kein Eintrag“. Und auch eine Kaiser-Wilhelmstraße in „München 1“ gibt es nicht. Kai von Appen

*Name geändert