Schüler sagen Klassenfahrt ab

■ Aus Solidarität mit ausländischen Mitschülern / Keine Klassenreise nach Stralsund

/ Keine Klassenreise nach Stralsund

Solidarität mit ihren ausländischen Mitschülerinnen und Mitschülern ist der Klasse 11a der Gesamtschule Stellingen wichtiger als eine Klassenreise. Die 22 Jugendlichen wollten eigentlich Anfang September für eine Woche nach Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) fahren. Doch dann kamen die ausländerfeindlichen Krawalle in Rostock - die Schüler sagten die Klassenfahrt ab.

„Ich hatte einfach Angst, daß ich wegen meiner Hautfarbe auf der Straße angegriffen werde“, erzählte der 16jährige Henry gestern der taz. Nachdem er mit seinen Bedenken zur Klassensprecherin gegangen war, diskutierte die Klasse seine Ängste und beschloß, nicht ohne die ausländischen Mitschüler zu fahren. Auf der Reise sollte sich die neu zusammengestellte Klasse kennenlernen, „und das geht schließlich nicht, wenn die ausländischen Schüler aus Angst zu Hause bleiben. Wir haben uns gesagt: „Entweder fahren alle oder niemand“, berichtet Melanie (18).

Die Schüler finden es allerdings problematisch, daß sie den Rechtsradikalen im Osten mit diesem Schritt einen Erfolg beschert haben: Ausländer sind von dort vertrieben worden. Sie haben deshalb dem Bürgermeister von Stralsund einen offenen Brief geschrieben, in dem sie die Gründe für ihre Entscheidung nennen. Außerdem versuchen sie jetzt mit Stralsunder Schulklassen Kontakt aufzunehmen, um zu hören, wie die Schüler dort über ausländische Mitbürger und Asylbewerber denken. Stefanie (17): „Auf keinen Fall soll der Eindruck entstehen, wir hätten Vorurteile gegen die Leute im Osten, die sind ja bestimmt nicht alle so.“ Auch mit Jugendlichen aus Lichtenhagen wollen sie diskutieren, die Gesamtschule Stellingen hat dort seit kurz nach der Wende eine Partnerschule.

Das Reiseziel war von den Tu-

1torInnen der 11a ausgewählt worden. Klassenlehrerin Siegrid Ring: „Ich wollte meinen Schülern mal die Möglichkeit geben, mit Leuten aus der Ex-DDR ins Gespräch zu kommen und den Osten aus eigener Anschauung kennenzulernen.“ Obwohl sie es politisch falsch findet, der rechtsradikalen Gewalt zu weichen, freut sie sich, daß in ihrer

1Klasse die Ausländer so unterstützt werden. Es sei immer noch eher selten, daß ausländische Schülerinnen und Schüler die Oberstufe besuchen und Abitur machen, deshalb sei die Solidarität der Deutschen wichtig und erfreulich.

Wenn ein solcher Fall in Hamburg bisher auch noch nicht vorgekommen ist, so ist in der Schulbe-

1hörde doch bekannt, daß Klassen vor Fahrten in die neuen Bundesländer wegen der dortigen Ausländerfeindlichkeit zurückschrecken. Pressesprecher Ulrich Vieluf: „Gerade wenn schwarze Kinder dabei sind, spielt das bei der Planung von Klassenreisen schon seit dem letzten Jahr oft einen Rolle.“ Franziska Löffler