Ohne Knast kein Knastproblem

■ Diskussion in Oslebshausen: Drogenfrust, und was kommt dann?

„80 Prozent aller Gefangenen haben erhebliche Suchtprobleme. Rund die Hälfte von ihnen nimmt harte Drogen.“ Diese nüchterne Bilanz zog Hans-Henning Hoff, Leiter der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen, am Dienstag abend auf einer von Insassen der JVA organisierten Podiumsdiskussion. Geladen waren außerdem Vertreter aus Justiz, Wissenschaft und Politik, mit denen 15 Gefangene über die frustrierenden Zustände im Knast reden wollten.

Zwei Drogentote habe es bisher gegeben, stellte Hoff fest, und: „Es ist eine Illusion, die Sucht im Knast beseitigen zu wollen.“ Dem Drogenproblem begegne man mit einem umfangreichen Polamidon-Programm, das allen Entzugswilligen zur freiwilligen Teilnahme offen stehe — auch nach der Entlassung. Mit 45 Gefangenen, die das Substitutionsangebot nutzen, ist der Andrang jedoch eher bescheiden. Anstaltsleiter Hoff sieht die Gründe vor allem in der mangelnden Bereitschaft zur Mitarbeit bei den Gefangenen. Protest bei den Knackis: Ohne eine psychologische Begleitbetreuung habe das ganze Programm keinen Sinn. Und sie hatten noch mehr Kritik: Vollzugsplanung sei in Wirklichkeit eine „entmündigende Verplanung“, bei der „nach Schema F“ alle „in die Kiste weggesperrt“ würden.

„Defizite in Bremen“ sieht auch Helmut Kellermann, Richter am Landgericht. Er bezeichnete den Strafvollzugsprozeß als „reinen Aktenumlauf“ zwischen Vollzug, Gericht, Staatsanwalt und Bewährungshelfer. Um zu verhindern, daß er nicht immer diesselben Gesichter wiedersehe, müsse der zunehmende Kontakt mit harten Drogen bei der Entlassungsvorbereitung mit berücksichtigt werden. Doch dabei hapert es erheblich. Die Rückfallquote liegt bei 60 bis 80 Prozent. Für Gerd Abel, Redakteur der Gefangenenzeitung Diskus 70, ist das kein Wunder. Wer entlassen werde, habe erstmal keine Wohnung und keine Arbeit. „Ist doch klar, daß alle wiederkommen!“

Um potentiellen „Heimkehrern“ den Ausstieg aus der Knastkarriere zu erleichtern, plant die Anstaltsleitung nun kleinere Vollzugseinheiten und individuelle Ansprechpartner. Den Insassen soll zudem mit einer Vorbereitungsgruppe der Wechsel vom geschlossenen zum offenen Vollzug erleichtert werden.

Statt der erhofften Annäherung gab es an diesem Abend letztlich aber eher Befremden — auf beiden Seiten. Volle Zustimmung bekam nur einer: Johannes Feest, Jura-Professor an der Uni Bremen. Er forderte, daß die Gefangenen schon vom ersten Hafttag an auf die Entlassung vorbereitet werden müßten. Aber: „Die wirklichen Knastprobleme verschwinden nur, wenn auch die Knäste verschwinden.“ Anstaltsleiter Hoff nahm's hin mit Schweigen. mawi