»Wir haben kein bedauerndes Wort gehört«

■ Alisa Fuss vom Jüdischen Runden Tisch zu den Verwüstungen auf dem Friedhof von Adass Jisroel/ Ausländische Freunde fragen, wann Berliner Juden wieder Koffer packen/ Wer übernimmt Kosten für Reparaturarbeiten?

taz: Hat sich irgendein Vertreter des Senats nach dem Anschlag auf das Mahnmal für die deportierten Juden auf der Putlitzbrücke in Moabit und den Verwüstungen auf dem Friedhof der orthodoxen jüdischen Gemeinde Adass Jisroel in Weißensee mit einem Wort des Bedauerns an die Berliner Juden gewandt?

Alisa Fuss: Der Anschlag auf das Mahnmal war in aller Munde, aber der Anschlag auf den Friedhof ist in den Meldungen untergegangen. Weder der Senator für kulturelle Angelegenheiten noch die Senatskanzlei noch das Bezirksamt Weißensee haben es für nötig befunden, ihr Bedauern auszusprechen. Das ist so ähnlich wie nach den Pogromen in Rostock — die Opfer wurden in Bonn mit keinem Wort bedauert. Dabei sind von den fünf Steinen, die dort umgeworfen und demoliert wurden, zwei für die Opfer des Nationalsozialismus gewesen. Diese Sorte von Anschlägen finden seit zwei Jahren immer vor dem jüdischen Neujahrsfest Ende dieses Monats statt.

Vermuten Sie auch einen Zusammenhang mit den Ausschreitungen von Rostock und den Folgen?

Ja. Der Ausländerhaß hat sich zu einem Flächenbrand ausgeweitet, der auch die demokratischen Deutschen und vor allem die Juden bedroht. Bei den Interviews der Täter in den Medien sagen diese immer wieder, sie glaubten, daß die Juden die Weltpolitik steuern und auch in den USA hinter allem stehen.

Sie haben besorgte Telefonanrufe aus Israel erhalten?

Und auch aus den USA und dem anderen Ausland. Ob wir schon die Koffer packen, ob die Pogromstimmung anhält.

Was haben Sie den Anrufern aus dem Ausland geantwortet?

Daß ich damit rechne, daß auch in Deutschland sich noch eine relevante Mehrheit gegen diese Exzesse stellt. Eine kleine Aktion unter vielen ist die Initiative von »Aktion Sühnezeichen«, die auf unsere Bitte hin beschlossen hat, die Schäden in Weißensee zu beseitigen. Junge deutsche Freiwillige werden das übernehmen. Es ist nur die Frage, wer die Kosten für die Steinmetzarbeiten — Schriftenerneuerung und anderes — übernimmt. Ich denke, das ist die Sache des Senats. Interview: usche