Quietschroter Blümchenpullover

■ „Grüne Tomaten“ von Jon Avnet ist ein halbgarer Emanzipationsfilm in üblicher Hollywood-Manier

Frauen sind das Thema in „Grüne Tomaten“. Alte Frauen, junge Frauen, schöne Frauen, weniger schöne Frauen, dünne Frauen, dicke Frauen. Frauen im Süden der USA, früher und heute. Kathy Bates ist Evelyn, die fast so viele Pfunde auf die Waage bringt wie ihr Mann Ed. Ihr Alltag läuft zwischen Supermarkt und Küche ab. Ed zieht sich sein Brathähnchen vor dem Fernseher beim Baseball rein, Evelyn frißt sich ihr Frustfett mit Sweeties an. Bei einem Besuch der Tante im Altersheim lernt Evelyn Ninny Threadgoode (Jessica Tandy) kennen, die sich ihr aufdrängt und sofort beginnt, eine Geschichte aus ihrer Heimatstadt Whistle Stop zu erzählen. Im Laufe der verschiedenen Besuche entwickelt sich diese Geschichte von Idgie (Mary Stuart Masterson) und ihrer Freundin Ruth (Mary-Louise Parker) immer weiter. Idgie ist das, was man gemeinhin burschikos nennt, Männer interessieren sie nur als Pokerpartner. Ruth dagegen ist religiös und sozial engagiert und heiratet Frank, den Mann, der für sie ausgesucht wurde. Die Schläge ihres Mannes und die Unterstützung von Idgie bringen sie dazu, ihn samt ungeborenem Kind zu verlassen. Ruth und Idgie eröffnen das Whistle Stop Café, in dem es die titelgebenden „Fried Green Tomatoes“ gibt und in dem auch Schwarze bedient werden. Sie bekommen Probleme mit dem Ku-Klux-Klan deswegen, bei dem natürlich auch der Bösewicht Frank mittut.

Parallel zu dieser dürftigen Emanzipationsstory erwacht das Selbstbewußtsein der dicken Evelyn. Fortan vollführt sie Gymnastik, ißt Rohkost, nimmt an Frauengruppen teil und widerspricht hin und wieder ihrem Gatten.

Doch das Erwachen von Evelyn spielt sich halbgar und verlogen ab. Ihre erste Aktion als Amazone ist das Demolieren eines Autos, das ihr den Parkplatz weggenommen hat. Natürlich der Parkplatz vor dem Supermarkt, und das Auto war natürlich nicht von einem Mann gesteuert, sondern von zwei jüngeren, hübscheren Frauen.

Und das Verhältnis zu den Schwarzen ist das steinzeitliche des guten Weißen zu seinem Onkel Tom. Die alten, scheinbar längst überholten Klischees vom heißen, stickigen und ach so romantischen Süden werden noch mal aufgekocht, doch nie hinterfragt. Statt dessen postuliert der Film: Früher war alles besser, den Schwarzen ging's doch gar nicht so schlecht, die Weißen waren doch nette Menschen, und die paar Dummies vom Ku-Klux-Klan waren doch auch unter Kontrolle.

Genau darin besteht die Philosophie des Films. Emanzipation darf nur so weit gehen, wie der weiße Mann nicht in seiner Vorherrschaft eingeschränkt wird. Frauen dürfen sich ihr Zubrot als Kosmetikberaterinnen verdienen, wenn das Essen rechtzeitig auf dem Tisch steht. Die durch die eigentliche Heldin Idgie propagierte Anarchie wird zurückgenommen auf ein jugendliches Austoben. Auch sie sehnt sich nach einer Familie, die sie sich schließlich auch mit Ruth und derem Kind verwirklichen kann. Auch die in der Beziehung zwischen Idgie und Ruth in vielen Anspielungen angedeutete Homosexualität wird nicht ausgelebt.

„Grüne Tomaten“ ist nur ein Abziehbildchen, Frauen- und Rassendiskriminierung sind Hintergrundfolien für zwei kitschige Geschichten in der üblichen Hollywood-Manier, das mit einer ebenso typischen Moral-von-der-Geschicht' abschließt: „Sie haben mich erinnert, was das Wichtigste ist: Freunde“, meint Bates zu Tandy. Genau solche überflüssigen Weisheiten scheint das US- amerikanische Publikum aber im Moment nötig zu haben.

Der Film von Jon Avnet, immerhin Regisseur von „Heat Wave“, einem recht mutigen Fernsehfilm über die Unruhen in Watts, war in den rezessionsgeplagten USA dieser Tage ein überraschender Box-Office-Hit. Thomas Winkler

„Grüne Tomaten“. Regie: Jon Avnet; Produktion: Jordan Kerner & Avnet; Kamera: Geoffrey Simpson. Mit: Mary Stuart Masterson, Mary-Louise Parker, Kathy Bates, Jessica Tandy u. a., 143 Minuten. USA 1992.