Morgen früh beginnt der Schmerz

■ Ivan Lendl, der Prüfstein der US Open, gewann nach fünf hartumkämpften Sätzen mit ungewohnt eisernen Nerven das Prestigeduell gegen Boris Becker/ Sabatini unterlag Fernandez, Seles weiter

New York (dpa/taz) — Wenn er schon nicht gewinnen kann, so sorgt er zumindest für eine historische Bestmarke: Boris Becker, Tennisspieler mit brennendem Verlangen nach Siegen, verlor zwar, aber dies immerhin in Rekordzeit. Fünf Stunden und eine Minute — niemals hat ein Spieler auf dem Hartplatz von Flushing Meadow länger zum Verlieren gebraucht als er.

Und selten unterliegt einer so theatralisch. Dabei hat sich das rothaarige Emotionsbündel zwei ganze Sätze lang beherrscht. Erst im dritten Satz ließ er den Boris raus. Statt der Siegerfaust kam der Becker-Flunsch zum Einsatz, und los gings mit Hader, Schimpfen, Greinen, Wimmern.

Es half wie immer („Ich bin doch keine Maschine, die alles schlucken kann“). Nach 7:6, 2:6 in den ersten Sätzen holte er sich den dritten wiederum im Tiebreak 7:6, gab allerdings anschließend den vierten mit 3:6 ab. Im fünften Satz waren es Kleinigkeiten, die das Spiel entschieden. Becker hatte seine Breakchance in der Anfangsphase — und vergab beide Möglichkeiten. Lendl bewahrte aus unerfindlichen Gründen die Nerven, schaffte das Break zum 4:3 und verwandelte wenig später seinen ersten Matchball. „Ich habe im letzten Monat gutes Tennis gespielt“, meinte Lendl, „Ich habe gefühlt, daß ich es in mir habe.“

Becker hingegen, dessen Kondition sich seit seiner olympischen Vorstellung in Barcelona erheblich verbessert hat, fühlt sich nach der ersten Niederlage gegen Lendl in einem Grand-Slam-Turnier dennoch mächtig geschlaucht. „Ich bin eher müde als enttäuscht“, befand der dreimalige Wimbledon-Sieger. „Aber“, so vermutete er, „wenn ich morgen früh aufwache, dann beginnt der Schmerz.“

Um diesen von vornherein abzuschwächen, redete sich Becker gut zu. „Ich bin definitiv auf dem Weg nach oben. Wenn ich so weiter trainiere und spiele“, erklärte der Weltranglisten-Achte, „kann ich in die Spitze zurückkehren.“ Zum Üben tritt er mit Michael Stich beim Abstiegsspiel des Daviscups gegen Belgien in Essen an.

Titelverteidiger Stefan Edberg, dem im fünften Satz, als er ein Break zurücklag, schon ein Becker-ähnliches Ende drohte, kam mit dem Schrecken davon. Auch er quälte sich fünf Sätze mit dem Niederländer Richard Krajicek. Nach Viereinviertel Stunden und dreizehn Assen von Krajicek gewann er 6:4, 6:7, 6:3, 3:6, 6:4 und zog nach Jim Courier, Andre Agassi, Pete Sampras und Alexander Wolkow als fünfter ins Viertelfinale ein.

Bei den Damen steht die Amerikanerin Mary Joe Fernandez bereits im Halbfinale. Sie schlug überraschend die Argentinierin Gabriela Sabatini in drei Sätzen aus dem Turnier und trifft nun auf die Weltranglisten-Erste Monica Seles. Die Jugoslawin hatte zuvor die Kanadierin Patricia Hy souverän niedergespielt und mit 6:1 und 6:2 zum Duschen geschickt. miß

Damen, Viertelfinale: Joe Fernandez - Sabatini 6:2, 1:6, 6:4; Seles - Hy 6:1, 6:2.

Männer, Achtelfinale:

Edberg - Krajicek 6:4, 6:7 (6:8), 6:3, 3:6, 6:4; Lendl - Becker 6:7 (4:7), 6:2, 6:7 (4:7), 6:3, 6:4; Chang - Washington 6:2, 2:6, 6:3, 6:3, 6:1; Ferreira - Sanchez 6:2, 6:4, 2:6, 6:4.