Gericht will Verfahren gegen Boock einstellen

 ■ Aus Stuttgart Gerd Rosenkranz

Im Stammheimer Prozeß gegen Peter-Jürgen Boock und Christian Klar hat sich die Bundesanwaltschaft vollständig isoliert. Am Dienstag nachmittag ließ der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats des Oberlandesgerichts, Herbert Schmid, keinen Zweifel daran, daß er das Verfahren einstellen würde, wenn sich die Anklagebehörde zu einem entsprechenden Antrag bereitfände.

Zuvor hatte Boock-Anwalt Johannes Riemann die Bundesanwaltschaft noch einmal eindringlich aufgefordert, auf die Fortsetzung des Prozesses um den blutigen Bankraub von Zürich im Jahre 1979 zu verzichten. Weder für Boock noch für Klar, die beide bereits in den achtziger Jahren zu mehrfach lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, werde das aktuelle Verfahren Konsequenzen haben. Riemann nannte den Prozeß „einen Fall für den Bundesrechnungshof“ und eine „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ für die Karlsruher Ankläger.

„Sie haben die Tür weitgehend zugemacht. Das wollte ich vermeiden“, meinte der Gerichtsvorsitzende, nachdem Bundesanwalt Rainer Griesbaum die Einstellung ohne Rücksprache mit seinem Karlsruher Chef, Alexander von Stahl, rundweg abgelehnt hatte. Griesbaum argumentierte, die Rechnung „am Anfang lebenslang, am Ende lebenslang“ gehe nicht auf. Gerade Boock sei nach seinen neueren Geständnissen an den 77er Anschlägen gegen den Bankier Ponto und Arbeitgeberpräsident Schleyer und seine Begleiter viel direkter beteiligt gewesen, als es in den früher ergangenen Urteilen festgestellt worden sei. Deshalb käme es einer „doppelten unverdienten Mildheit“ des Staates gleich, wenn nun auch noch das Zürich-Verfahren eingestellt würde.

Griesbaum ließ keinen Zweifel daran, daß er — nachdem die früheren Urteile rechtskräftig sind — sozusagen nachholend die „besondere Schuldschwere“ Boocks feststellen lassen wolle. Nur so könne verhindert werden, daß der RAF-Abtrünnige 1996, nach 15 Jahren Haft, vorzeitig entlassen werde.

Schmid las dem Bundesanwalt daraufhin regelrecht die Leviten: Boock habe im aktuellen Verfahren zum Züricher Bankraub umfassend ausgesagt und lediglich den vierten Täter, Christian Klar, nicht namentlich genannt, weil er wisse, daß das nicht nötig sei. Er habe darüber hinaus während seines Geständnisses im Mai dieses Jahres mehr zur Sachaufklärung beigetragen als alle bisherigen Kronzeugen zusammen. „Er ist ja schon“, meinte Schmid, „auch wenn er es nicht will, Kronzeuge bezüglich der Anschläge von 1977.“ Deshalb hätte der Senat „gern konkreter gehört“, was die Bundesanwaltschaft zusätzlich erwarte, um Boock von der Kronzeugenregelung profitieren zu lassen und das Verfahren einzustellen.

Griesbaum bestand erneut darauf, daß Boock „über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus“ aussagen müsse. Ein Geständnis „mit mehreren Unbekannten“ könne es nicht geben. Der Vorsitzende konterte mit der Bemerkung, die Kronzeugenregelung verlange keineswegs, daß ein Aussagewilliger „alles sagen muß, was er weiß“. Boock erklärte abschließend, er lehne die Kronzeugenrolle für sich weiter ab. Er bitte das Gericht lediglich, sein Verfahren von dem gegen Klar abzutrennen, „sobald es die Fakten beisammen hat“.