: „Auch Frauen sind im Krieg aktiv“
■ Kroatinnen, Serbinnen und Sloweninnen kooperieren, Unterschiede bleiben
Die Feministinnen Zarana Papic aus Belgrad, Asija Armanda aus Zagreb und Vlasta Jaluzic aus Ljubljana trafen sich auf der Bremer Frauenwoche und sprachen über Feminismus, Nationalismus, Patriarchat und Krieg. Mit der taz redeten sie über ihre Situation im ehemaligen Jugoslawien.
Ist das merkwürdig für Euch, hier zusammenzusitzen?
Zarana Papic: Nein, überhaupt nicht. Ich kenne Asija seit Jahren, aus dem „feministischen Gymnasium“.
Vlasta Jaluzic: Warum sollte es komisch für uns sein? Es stimmt, wir haben in den letzten Jahren keinen Kontakt miteinander gehabt, aber das hatte andere Gründe. Sie reden nicht mit Leuten, die im Krieg leben.
Aber Zarana Papic sagte in ihrem Vortrag, die Frauen seien die zweifachen Opfer des Krieges: die ihrer eigenen Männer, die sie verlassen haben, und die Opfer der anderen Männer, die sie vergewaltigen und töten.
V.J: Dann seid Ihr genauso im Krieg wie wir. Es ist pervers zu sagen, wir lebten im Krieg.
Das heißt, Sie nehmen nicht am Krieg teil, aber Sie sind dagegen. Können Sie gemeinsam gegen den Krieg kämpfen?
Z.P: Jede von uns ist in einer anderen Situation: sozial, kulturell, politisch. Es gibt keine gemeinsame Wahrheit. Die Mißverständnisse entstehen, wenn man versucht, die Unterschiede zu negieren. Als der Krieg begann, engagierten sich in Serbien alle Feministinnen in Anti-Kriegs-Initiativen. Aber wir in Belgrad waren privilegiert, wir wurden nicht beschossen.
V.J: Es ist eine Einbildung, daß Frauen in Jugoslawien zusammen gegen den Krieg kämpfen könnten. Das ist, als sollten die westeuropäischen Frauen zusammen kämpfen. Auch als Jugoslawien noch ein Staat war, gab es für die Frauen in den einzelnen Ländern unterschiedliche Rechte: in Slowenien gab es ein Jahr Mutterschaftsurlaub, in Mazedonien nur acht Monate.
Wir können nur Informationen austauschen und kooperieren gegen die völlige Vernichtung der Frauen- und Menschenrechte im ehemaligen Jugoslawien.
Z.P: Ich war in den letzten Jahren auf vielen Frauenkonferenzen in ganz Europa und habe überall die Zerstückelung der Frauenbewegung gesehen: In Amsterdam waren nur die deutschen, holländischen und Schweizer Frauen, aber keine Italinerinnen oder Engländerinnen. Wir Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien reden miteinander, aber wir sind nicht vereint.
Es ist vielleicht so eine alte Utopie, daß Frauen gemeinsam „Nein“ zum Krieg sagen.
Asija Armanda: Das Problem ist doch: Kann der Feminismus überhaupt auf den Krieg vorbereitet sein? Der Krieg muß schon angefangen haben, damit du „nein“ sagen kannst.
V.P: Es ist eine Illusion zu glauben, eine reine Frauenaktion könnte den Krieg verhindern. Viele setzten sehr viel Hoffnung auf die Mütterbewegung in Jugoslawien. Aber die Frauen traten nicht als politische Wesen an die Öffentlichkeit, sondern als Mütter und Schwestern, darum ließen sie sich auch so gut für nationale Zwecke instrumentalisieren. Dieser Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Raum ist sehr wichtig. Wenn sie als Mütter an die Öffentlichkeit treten, ist es schon zu spät.
A.A: Der einzige Effekt war, daß man die jungen Männer von der Front zurückholte und die Reservisten hinschickte.
V.J: Und man darf nicht vergessen, daß die Frauen im Krieg auch eine aktive Rolle spielen. In Kossovo haben sie demonstriert, weil sie Krieg wollten. Fragen: Diemut Roether
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