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Pragmatismus mit Sofortvollzug

■ Lauter Koalitionslust: Vier Öko-Minister im Bremer Rathaus

Eine neue Spezies von Landesministern hält Einzug in Deutschland: die Grünen oder ökologisch engagierten Umwelt-Verantwortlichen. Michaele Schreyer war Senatorin in Berlin, Joschka Fischer — der „Dienstälteste“ der Sorte, ist im zweiten Anlauf Umweltminister in Hessen, Monika Griefahn bekleidet das Amt in Niedersachsen, Ralf Fücks in Bremen. In einer wohl einmaligen Kombinaton saßen alle vier am Mittwoch im Festsaal des Bremer Rathauses auf dem Podium und debattierten über „Koalitionslust“ und „Koalitionsfrust“.

Anwesende Vorstandsmitglieder der Grünen sahen keinen Anlaß für eine Diskussion, Fraktionsmitglieder waren nicht gekommen. Nicht einmal grüne Ampel-Gegner meldeten sich zu Wort — so bestätigte die Versammlung, was Ministerin Monika Griefahn beklagte: „Es gibt zu wenig Leute, die politisch aktiv sind, ich kann es nicht allein machen.“

„Regierungsfrust“ ist für Ralf Fücks vor allem die Kluft zwischen dem, was zum Erhalt des Planeten notwendig wäre und dem „Diplompragmatismus“ des Regierungsalltags. Joschka Fischer konnte sich über diese Fragestellung nur lustig machen. „Wie verhindere ich mit der Abfallgebührenordnung die Apokalypse?“, spottete er über die „theologische Dimension“ der Fücks'schen Probleme: „Große Versprechen führen zu kurzem Atem“. Ein Beispiel dafür seien, so spielte er auf den Grünen Dieter Mützelburg an, „große Fraktionsvorsitzende, die in der Hitze des Sommer die Nerven verlieren“.

Was die praktischen Möglichkeiten der Politik angeht, waren die vier MinisterInnen sich derweil weitgehend einig. In der Atompolitik, so Fischer, sei längst ein „Moratorium“ erzwungen worden, 1995/6 entscheide sich, ob es Alternativen der Energiepolitik gebe oder nicht. Das Energiesystem ist für Fischer überhaupt „der archimedische Punkt“: Die CO2-Reduzierung zum Beispiel setze voraus, daß weniger Autos fahren. Das gehe nur, wenn Benzin drastisch teurer werde. Eine „kulturelle Machtfrage“ sei das: „Da werden Pendlerparteien große Schwierigkeiten bekommen“. Fischer ging so weit, „ungewöhnliche Koalitionen“ zu prognostizieren, wenn die SPD ihrem Pendler-Klientel die ökologisch notwendigen Benzinpreise nicht zumuten will.

Bei alledem ist Fischer aber Pragmatiker und setzt derzeit gegen die grünen Kreisverbände eine Klärschlammverbrennung „mit Sofortvollzug“ durch. Wer den Giftmüll nicht exportieren wolle, der müsse eben vor Ort entsorgen. Genauso pragmatisch erklärte Monika Griefahn, daß — zum Beispiel — nur durch die Gelder von Daimler-Benz die Entschädigung der Abbau-Lizenzen für 950 Hektar Moor finanziert werden könnten — ohne Teststrecke kein Moorschutz. Auch sie hatte die Grundsatzprobleme von Fücks nicht: Die Tätigkeit im Ministerium sei „die konsequente Fortsetzung“ ihrer Arbeit bei Greenpeace, erklärte sie.

Sorge macht diesen Öko-MinisterInnen aber, daß „der alltägliche Fortschritt zu wenig gelobt“ wird, den sie im Amte erreichen. Und daß der Grundkonsens in der Gesellschaft sich verschiebt, der die SPD zunehmend unter Druck setze, eine Große Koalition einzugehen. K.W.

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