Willkommen im Club der Mafia

■ Marketinggesellschaft gründet in Berlin einen Pool für Radiowerbung

Vier Berliner Privatsender haben sich zusammengetan, um im Kampf um den Werbekuchen besser munitioniert zu sein: r.s.2 (vormals Rias2: „neuer Name, bewährtes Programm“), Berliner Rundfunk („Wir von hier hören 91,4“), Radio Energy („I wanna sex you up“) und Inforadio („alle 10 Minuten neu: Wetter, Verkehr und mehr“). Gemeinsam kommen sie auf 28% der Marktanteile in Berlin/Brandenburg und schieben sich damit vor den öffentlich-rechtlichen Sender Antenne Brandenburg (ORB) und den privaten Anbieter Hundert,6 an die Spitze der zehn Werbeprogramme.

Vermittelt wurde die Berlin- Kombi durch die Hamburger Radio Marketing Service (RMS), die im Bundesgebiet bereits 14 weitere private Radiosender vermarktet. „Nicht der Liebe wegen“, sondern „getragen von der Markteinsicht: Gemeinsam sind wir stark“, sei die Ehe der ansonsten „um jedes Ohr hart konkurrierenden“ Anbieter erfolgt, erklärt Heiratsvermittler Lutz Kuckuck, Geschäftsführer der RMS. 1993, so seine Prognose, werden in Berlin 100 Millionen Mark für Hörfunkwerbung lockergemacht. Bislang konnten Hundert,6 (Jahresumsatz 1991: 40 Mio. Mark) und SFB die Werbeeinnahmen unter sich aufteilen. Kuckuck schätzt, daß in die Kasse der RMS-Berlin-Kombi bereits im nächsten Jahr ein Drittel der überregionalen Werbeeinnahmen (rund 25 Mio. Mark) fließen wird. Während der SFB sich gerade selbst amputiert (das Jugendprogramm Radio 4 U soll abgeschaltet werden), versucht sich Hundert,6 auf die neue Situation einzustellen. Noch in diesem Jahr will Hundert,6- Geschäftsführer Klaus H. Röttger eine eigene Marketinggesellschaft gründen, die, vergleichbar mit der RMS, für andere Anbieter offen ist. Das Nachsehen hat, neben dem SFB, auch 104,6 RTL, das von der ebenfalls bundesweit operierenden Vermarktungsgesellschaft IPA vertreten wird. Mit einem Marktanteil von 15% (schätzt RMS) rangiert RTL auf dem letzten Platz. Von da aus dürfte es schwer werden, in die Computer der überregionalen Werbungtreibenden Wirtschaft zu kommen. Auch neuen Privatsendern wird der Markteintritt schwerer gemacht.

„Wir sind kein Kartell“, wehrt sich Energy-Geschäftsführer Thomas Thimme, bevor der Vorwurf überhaupt erhoben wurde, und r.s.2- Chef Peter Schiwy fügt hinzu, daß die Kombi offen für andere sei. Kuckuck, der die RMS gerne als Selbsthilfeorganisation umschreibt, die auf Non-profit-Basis arbeitet, kann sich auch Hundert,6 in der Berlin-Kombi vorstellen (während sich Hundert,6 auch durchaus vorstellen kann, daß einzelne RMS-Sender zu ihnen wechseln). Ob sich die Berlin- Kombi als Marketingmafia, Werbekartell oder Wettbewerbsblocker erweist, überwacht die Medienanstalt Berlin/Brandenburg. Ausschlaggebend dabei ist unter anderem der lokale Werbemarkt, der ungefähr ein Drittel des Gesamtmarktes von 35 Millionen Mark ausmacht. Der Vierer-Ehevertrag umfaßt nur die Akquirierung überregionaler Werbespots: Markenartikel wie Ariel, VW und Blendamed. Aber auch beim Wettbewerb um den Tante-Emma- Laden nebenan kann sich Thimme eine „zeitlich begrenzte Zusammenarbeit“ vorstellen. Im Vorfeld des Zusammenschlusses wurde hart über die Gewinnverteilung gestritten. r.s.2 ist mit Abstand der größte Partner, während sich z.B. Inforadio als reiner Nachrichtenkanal erst auf dem Markt behaupten muß. „Wir haben am Anfang unsere Kräfte in Technik und Programm gesteckt“, versucht Inforadio-Geschäftsführer Rolf Schäfer die fast gänzliche Abwesenheit von Werbung im Programm zu erklären. Verkauf und Marketing sollen nun stärker aufgebaut werden. Ohne die Aufnahme in den RMS Berlin Club hätte Inforadio aber kaum eine Chance. mail