Nach Ostdeutschland die ganze Welt

■ Die Bertelsmann AG trennen nur noch schlappe 500 Umsatz-Millionen vom weltgrößten Medienkonzern Time Warner/ Unplanmäßige Millionenausgaben kratzen kaum an der Glanzbilanz

Berlin/Gütersloh (taz/dpa) — Der tiefe Fall des US-Dollar läßt die Bertelsmann AG im internationalen Vergleich noch größer erscheinen, als sie ohnehin schon ist. Vom weltgrößten Mediengiganten, der New Yorker Time Warner Inc. mit umgerechnet 16,5 Milliarden Mark (12 Mrd. Dollar) Umsatz, trennen sie nur noch schlappe 500 Millionen. Bertelsmann steigerte den Umsatz im Geschäftsjahr 1991/92 (bis 30. Juni) um zehn Prozent auf 16 Milliarden DM, so Vorstandschef Mark Wössner am Mittwoch abend bei der alljährlichen Bilanz-Feier vor JournalistInnen im westfälischen Gütersloh.

Nachdem der Medienkonzern in den vergangenen beiden Geschäftsjahren den ostdeutschen Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt erobert hat, soll es jetzt um die Welt gehen. „Unsere Gedanken kreisen um die Märkte Osteuropa und Fernost“, präzisierte Wössner. Den größten Teil des Betriebsergebnisses von 1,2 Milliarden Mark (Vorjahr 1,13 Mrd. DM) erwirtschafteten die weltweit 50.000 Beschäftigten des Gütersloher Konzerns nach wie vor in der angestammten Buchclub-Sparte sowie mit den Zeitschriften der Tochter Gruner+Jahr (G+J). Daß in Ostdeutschland die Anlaufverluste mit 310 Millionen um 100 Millionen Mark höher lagen als geplant, störte die Bertelsmänner (der Vorstand ist frauenfrei) nur wenig. Ursache dafür waren die Übernahme des einstigen DDR-Bücherbundes und der Zusammenbruch des britischen Maxwell- Medienimperiums, dessen 50-Prozent-Anteil am (Ost-)Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Wochenpost) G+J außerplanmäßig übernahm. Kurz vor seinem plötzlichen Tod hatte Robert Maxwell übrigens nicht nur die Pensionsfonds seiner Londoner Verlage geplündert, sondern ebenfalls in die mit G+J gemeinsam geführte Kasse gegriffen.

An der Hochglanzbilanz kratzen die Maxwell-Folgen allerdings ebensowenig wie die Etat-Umschichtungen der Werbekunden von Zeitschriften hin zum Privat-TV. Immerhin mußte der Bauer Verlag deshalb die Zeitschrift Quick einstellen. Der kostenträchtige Kampf der Verlage um Berlin und Ostdeutschland bewog G+J vergangene Woche lediglich dazu, aus Kostengründen die Dresdner, Chemnitzer und Leipziger Morgenpost zusammenzulegen. Der mit 3,4 Milliarden Mark Umsatz deutlich kleinere Axel- Springer-Verlag verspielte dort beim Kampf der Bild-Zeitung gegen Burdas inzwischen aufgegebene Super immerhin die Dividende seiner Aktionäre. Die Versuche der deutschen Konkurrenz, auf Auslandsmärkten Fuß zu fassen, können die Bertelsmänner von Jahr zu Jahr müder belächeln. Mit seinen Verlagen, Druckereien, Buchclubs, Fernseh-, Film- und Musikgeschäften ist Bertelsmann längst größer als die nächstgrößeren deutschen Medienkonzerne Springer, Burda und Bauer zusammen. Bertelsmann wird sich nach Expertenschätzungen auf jeden Fall unter den fünf oder sechs EG- Mediengiganten wiederfinden, die auch Ende der 90er Jahre noch in allen Sparten der Branche mithalten können — was beispielsweise Springer kaum ein Experte mehr zutraut.

Auf dem Markt der Zukunft, den privaten Fernsehsendern, sind die Bertelsmänner allerdings zumindest in Deutschland dabei, gute Ausgangspositionen zu verspielen. Sie wollen Anfang 1993 den bundesweiten Informationskanal „Vox“ starten. Der jedoch steht in Konkurrenz zu einem zweiten RTL-plus-Kanal und verärgert damit die RTL-Mitgesellschafter (CLT, WAZ, FAZ und Burda), die jetzt die Bertelsmänner aus dem gemeinsamen RTL-Gesellschaftervertrag hinausklagen wollen. Wenn sie damit Erfolg hätten, müßte Bertelsmann nach etlichen Jahren der Anschubfinanzierung auf die wachsenden Gewinne des Kommerzsenders zugunsten der wirtschaftlich risikoreichen „Vox“ verzichten.

Angesichts der Gesamtbilanz stört das nur wenig. Von den mehr als 100 Firmen im In- und Ausland haben laut Wössner im vergangenen Geschäftsjahr nur zwei rote Zahlen geschrieben — der Bantam-Verlag in den USA und ein Verlag in Spanien. Aus dem Konzern-Ergebnis erhalten die rund 25.000 im Inland beschäftigten Angestellten eine unveränderte Gewinnbeteiligung von 1,8 Monatsgehältern.

Die Gewinnbeteiligung und die relativ weitgehende, konfliktminimierende Mitbestimmung aus den Zeiten des pensionierten Verlegers Reinhard Mohn gelten als mitverantwortlich dafür, daß der Buchclub aus Gütersloh soviel erfolgreicher ist als der ungleich berühmtere Zeitungsverlag des verstorbenen Patriarchen Axel Springer. Die Umverteilung des Bertelsmann-Gewinns (nach Abzug von Steuern 570 (540) Millionen DM) nach unten gilt allerdings immer weniger als heilige Kuh. So beschloß das Management der Tochter G+J in diesem Jahr, die Volontärsgehälter zu kürzen. Donata Riedel