"Wir sind keine Rassisten"

■ In Blankenese soll ein Containerdorf für Asylbewerber errichtet werden. Die Anwohner, wie so oft, laufen Sturm gegen diesen Plan. Gleichwohl schlagen sie Alternativen vor, die plausibel erscheinen: Die im...

soll ein Containerdorf für

Asylbewerber errichtet werden. Die Anwohner,

wie so oft, laufen Sturm gegen diesen Plan.

Gleichwohl schlagen sie Alternativen vor, die

plausibel erscheinen: Die im Winter

geschlossenen Freibäder der Wasserwerke.

Ein Schrebergärtner harkt geruhsam vor seinem Grundstück, in den Gärten strotz das Gemüse fast zu üppig, nicht einmal Kindergeschrei stört die betuliche Gemütlichkeit: Die Simrockstraße, eine friedliche Einfamilienhaus- Idylle im nördlichen Ausläufer von Blankenese. Hier scheint die Welt im Lot. Wer es in diesen Teil von Iserbrook geschafft hat, der darf die Füße zufrieden auf den Tisch legen.

Doch mit der Zufriedenheit ist es dort nicht weit her. „Lebensfreude“ - auch der wohlklingende Name der Schrebergartenkolonie klingt in den Ohren der Anwohner im Moment wie Hohn. Was den Seelenfrieden derart aus dem Gleichgewicht bringen konnte? Eine lapidare Pressemeldung aus der vergangenen Woche. „Der Senat wird im Rahmen des Notprogramms in der Simrockstraße für den Winter Container zur Unterbringung von Asylbewerbern aufstellen.“ Innerhalb von 14 Tagen müsse die Sozialbehörde zehn neue Containerdörfer für rund 1000 Menschen aus dem Boden stampfen, kündigte Sozialsenator Ortwin Runde am 18.August an. Nur so sei die Unterbringung von Asylbewerbern in Turnhallen, Zelten

1oder Bunkern abzuwenden.

Noch überschattet von den Zeitungsmeldungen über aufgebrachte Eltern in Ohlstedt, die das Aufstellen von Containern auf einem Schulhof mit Blockaden verhinderten, macht sich jetzt langsam auch in Iserbroock die Wut in den Gemütern breit. „Bloß das nicht, haben wir alle gesagt.“ Der Pensionär Erwin Wendt fegt den Weg seines Schrebergartens. Sein Gartenzwerg Rudi starrt vom Miniaturhochstand aus durch das Fernglas auf das benachbarte, brachliegende Grundstück. „Sind sie nicht bildhübsch,“ sagt Wendt stolz und führt eine ganze Kollektion der bunten Plastikzwerge vor. „Wir haben alle Angst, daß die Ausländer uns hier die Gärten plündern.“

Eigentlich wolle man ja helfen, „wenn man nur wüßte, daß das alles nette Leute wären, die nicht schon mal von hier weggeschickt worden sind“. Aber der ganze Schmutz - „Kommen Sie mal zu mir nach Altona in den Hinterhof gucken, da haben die Türken alles mit ihrem Müll vollgestellt“, schimpft der Rentner. Den Fernseher, das Radio mit Lautsprechern auf der Veranda, „das muß ich im Winter hier alles aus meinem Häuschen räumen. Sind ja schließlich

1Werte.“

Fast betulich wirkt die Abwehr des Schrebergärtners gegen den drohenden Aufstand der Bewohner aus den neugebauten Einfamilienhäusern am Kopf der Fläche. „Wir sind das Volk“, mit dieser Parole haben erboste Anwohner am Dienstag abend beinahe die Ortsauschußsitzung gestürmt. „Die waren nahe dran, die Türen einzutreten oder mit Stühlen nach den Politikern zu werfen“, berichtet eine Augenzeugin über den Tumult.

„Mit solchen dumpfen Aktionen haben wir nichts zu tun,“ - Frau Michel, die ihren Vornamen lieber nicht nennen will, hat mit ihrem Mann und vier weiteren Familien, deren Gärten direkt an das geplante Containerdorf stoßen, in den vergangenen Tagen eine Interessensgemeinschaft gegründet. „Wir sind keine Rassisten“, betont die Hausfrau.

Sie setzen sich dafür ein, daß auf 1

2dem Gelände, auf dem der Bau einer Tennishalle geplant ist, weitere 15 sozial geförderte Eigenheime entstehen. Angrenzend an ihre Gärten wollen die Familien außerdem noch eine Spielfläche für ihre Kinder haben. „Das sind hier alles sozial geförderte Häuser, dafür haben wir schließlich in der Stadt Sozialwohnungen frei gemacht“, sagt Frau Michel. „Wir haben dem Ortsausschuß vorgeschlagen, die Container in den Freibädern aufzustellen. Die sind jetzt geschlossen, außerdem gibt es da sanitäre Einrichtungen und Strom.“ Die Not macht erfinderisch, bei den benachbarten Schrebergärtnern steht ein Golfplatz als Alternativstandort ganz oben auf der Vorschlagsliste.

Die Fraktionen des Blankeneser Ortsauschusses vertagten eine Entscheidung über das brenzlige Thema am Dienstag kurzerhand. Damit schafften sie sich das Pro-

1blem vom Hals und die Anwohner können hoffen, daß die Behörde bis zur nächsten Sitzung mit der Herrichtung des leerstehenden Geländes abwarten wird. Doch müdes Abwinken in der Sozialbehörde. „Wenn wir von den Bezirken Grundstücke angeboten bekommen, sagen wir 'Danke' und nehmen die ohne Zögern und ohne lange Prüfungen“, wehrt Behördensprecherin Brigitte Eberle ab. „Jetzt ist handeln angesagt und nicht reden.“ Bei der Herrichtung anderer bezirklicher Flächen gibt es weniger Probleme - sie liegen entweder in Industriegebieten oder auf Behördenparkplätzen. Proteste? Fehlanzeige - es fehlen die Anwohner. So werden derzeit auf dem Parkplatz an der Oberaltenallee (siehe Foto) fast unbemerkt und ungestört Container in Reih und Glied gerückt.

Mit der dringend gebotenen Eile („wir haben im Moment auf den Flüchtlingsschiffen 300 Leute zuviel untergebracht“) rechtfertigt die Behörde auch, daß die Anwohner der Simrockstraße aus der Presse erfahren mußten, daß sie bald neue Nachbarn bekommen würden. Außerdem sei die Information auch Sache der Bezirke.

Aber ein Schreiben von Altonas

1Bezirksamtsleiter Peter Strenge an die Anlieger brachte nur noch mehr Aufregung. „Leider steht Hamburg bei der Unterbringung von Flüchtlingen, Aussiedlern und Asylbewerbern das Wasser buchstäblich am Hals,“ hatte der Bezirkschef zu beschwichtigen versucht. „Und uns fließt das Wasser in die Luftröhre“, lautet der Kommentar von Frau Michels.

Mit den plumpen Ausländerfeinden wollen die Mitglieder der Interessengemeinschaft partout nicht in einen Topf geworfen werden. Doch es sei heute fast unmöglich, seine Ablehnungsgründe verständlich zu machen. „Schreiben Sie unsere Gründe doch einfach mal ohne Bewertung auf“, fordert sie. Daß alle Argumente („Hilfe ja, aber nicht vor unserer Tür“) sich derzeit gleichen, mag sie nicht einsehen. „Wir sagen nicht 'Hier - Weg', sondern 'Hier - Helft‘.“ Schließlich stünde auch eine soziale Unterbringung der Asylbewerber auf ihrem Forderungskatalog. Man solle die Flüchtlinge nicht dem Haß der Bürger aussetzen. Wer aber produziert die ausländerfeindliche Stimmung? „Wir werden uns auch an Bonn wenden“, meint die Sprecherin der Interessensgemeinschaft. Sannah Koch