Stoppt Karlsruhe das neue Polizeigesetz?

■ Verfassungsklage gegen Hamburger SOG wahrscheinlich zugelassen / Karlsruher Richter fordern Stellungnahme vom Senat

gegen Hamburger SOG wahrscheinlich zugelassen / Karlsruher Richter fordern Stellungnahme vom Senat

1

2åDas Bundesverfassungsgericht (BVG) hält offensichtlich Teile des umstrittenen neuen Hamburger SOG-Polizeigesetzes (Sicherheits- und Ordnungsgesetz), das Innensenator Werner Hackmann als „wasserdicht“ bezeichnet, für verfassungswidrig. Dieser Rückschluß läßt sich aus dem Verhalten der Karslruher Richter ableiten, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Verfassungsbeschwerde des Hamburger Pastors Christian Arndt, des Kritischen Polizisten Manfred Mahr sowie des Anwalts Gerd Strate annehmen werden. Rechtsanwalt Strate: „Daß die Klage zur Entscheidung angenommen wird, ist relativ sicher.“

Die drei hatten Ende Juli — knapp ein Jahr nach Inkrafttreten des im Geheimverfahren verabschiedeten SOGs — Verfassungsbeschwerde eingereicht. Im Visier der Kläger sind besonders Vorschriften, die gezielte „Lauschangriffe“ in Privatwohnungen, Observationen oder das Einschleusen von verdeckten Ermittlern zulassen, falls, so der SOG-O-Ton, „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden(...) sowie über deren Kontakt- oder Begleitpersonen, wenn die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtlos wäre.“

Strate und Arndt sehen besonders das Verfassungsrecht auf Zeugnisverweigerung für „Berufsgeheimnisträger“ verletzt sowie das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung angetastet. Denn „Berufsgeheimnisträger“ müßten nach dem neuen SOG davon ausgehen, daß vertrauliche Gespräche mit Mandanten oder beichtenden Personen von der Polizei abgehört werden.

Nur einem Monat nach Einreichen der Verfassungsklage hat nun das BVG die Bundesregierung, Bundestag, Bunderat sowie die Hamburger Bürgerschaft, Senat und den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten bis Ende Februar um Stellungnahmen gebeten. Für Strate ist damit nicht nur die erste, sondern die schwerste Hürde genommen. Denn nach gängiger BVG-Praxis werden 99,7 Prozent der Verfassungsbeschwerden bereits im Auswahlverfahren als „unbegründet“ abgewiesen.

Wenn sich die Verfassungrichter intensiv mit dem SOG auseinandersetzen, gehen selbst Polizei-Insider davon aus, daß das neue Polizeiregelwerk schnell Makulatur sein könnte. Denn selbst die Bundesregierung hatte jüngst bei der Verabschiedung des Gesetzes zur „Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ die Aufnahme von Vorschriften über mögliche Lauschangriffe verworfen, weil die Mikrophonbespitzelung in Privatwohnungen „verfasungswidrig“ sei, wenn nicht das Grundgesetz geändert werde. Kai von Appen