Faschismus und Ampelsondermüll

■ Betr.: Lichtenhagen-Syndrom, taz vom 31.8.1992

Als Faschist bezeichnet zu werden, gilt derzeit als größte Beleidigung, die man hierzulande jemandem anhängen kann. Faschismus ist in diesem Staat ein Ding der Unmöglichkeit. Denn was nicht sein kann, darf auch nicht sein. Mit diesem Begriff heißt es sensibel umgehen. Doch wenn Frau Senatorin Gaertner ihn benutzt hat, um Dampf abzulassen gegenüber der eiskalten Menschenverachtung, die mensch zur Zeit in Bremen oft zu spüren bekommt, so hat sie den einzigen Begriff genommen, der so prägnant all das zusammenfaßt, was einem in der Asyldebatte an Feindseligkeiten so begegnet. Ob eine Senatorin in öffentlichen Versammlungen nun Dampf ablassen darf oder nicht, ist eine andere Frage. Vieleicht erfordert diese Zeit äußerst gestärkte Kragen, damit sie nicht platzen, wenn man dem Volk aufs Maul schaut.

Aufs Maul geschaut hat auch der Politikkollege Rohmeyer von der Jungen Union im Bremer Osten, denn wenn er von Asylbewerbern und Drogenabhängige als „Ampelsondermüll“ spricht, so gibt das ebenso prägnant das wieder, was mensch zum Beispiel in öffentlichen Beiratssitzungen im Publikum zu hören bekommt. Er sprach damit dem Volk sozusagen aus tiefster schwarzer Seele. Daß er sich anschließend dafür entschuldigte, könnte eigentlich für ihn sprechen. Doch die Ausrede, daß dieses Wort aus Versehen in die Presseerklärung gerutscht ist, stellt ihn fast noch mehr bloß als die Erklärung selbst. Solche Worte rutschen nicht von allein irgendwohin, dahinter steckt schlimmstenfalls Überzeugung, bestenfalls Populismus.

Für den politischen Umgang mit den aktuellen Unterbringungsproblemen sind jedoch beide Äußerungen wenig hilfreich, da sie nur die Fronten verhärten. Wer der Straße das Wort redet, begibt sich auf ein rauhes Pflaster, auf dem — viel Zeit wird da nicht mehr ins Land gehen — die Auseinandersetzung ausgetragen werden wird. Die Grünen, Beirat Hemelingen