Ministerin Griefahn: Ich brauche die Umwelt-Lobby

■ Interview mit der niedersächsischen Umweltministerin über ihre Sondermüll-Vermeidungspolitik

Sie setzen im niedersächsischen Sondermüll- Streit auf ein „Vermeidungs-und Verminderungskonzept“ — was ist das?

Monika Griefahn: Wir haben für die niedersächsische Industrie eine Untersuchung gemacht, welche Abfälle eigentlich entstehen, wo sie auftauchen, in welchen Mengen. Dabei haben wir festgestellt, daß wir in Niedersachsen zur Zeit etwa 1,8 Millionen Tonnen Sonderabfall haben. Wenn wir nichts tun, wird er bis 1996 auf 2,3 Millionen Tonnen anwachsen. Unser oberstes Ziel ist es, die Sonderabfall-Menge zu reduzieren. In unserem Konzept haben wir Strategien dafür entwickelt. So wird die Gewerbeaufsicht mehr Auflagen machen mit dem Ziel, daß der Abfall gar nicht erst entsteht. Dazu haben wir die Gewerbeaufsicht verstärkt. Zweitens machen wir Gutachten für einzelne Bereiche. Drittens haben wir eine Regierungskommission gebildet „Vermeiden und Vermindern von Sondermüll“, die in vier Arbeitsgruppen besonders problematische oder in großen Mengen anfallende Sonderabfälle - zum Beispiel Lackschlämme der Autoindustrie — untersucht und nach Wegen zur Verminderung sucht. Dann haben wir eine Sonderabfall-Abgabe eingeführt und wir sind

dabei, eine Sonderabfallberatungs-Agentur zu gründen, die kleinere oder mittlere Betriebe beraten soll.

Was sind andere Problembereiche neben Lack und Lösemittel?

In der Autoindustrie gibt es viele Sonderabfälle, Schredderabfälle...

VW?

Neben den drei Nutzfahrzeugherstellern in Niedersachsen haben wir einige Unternehmen der chemischen Industrie mit problematischen Sonderabfällen. Die Aluminium-Industrie wollen wir motivieren, auch Sekundär-Aluminium zurückzugewinnen. Damit würden großen Mengen Rotschlamm vermieden. Derzeit fallen 400.000 Tonnen im Jahr an, die auf einer betriebseigenen Deponie bei Stade deponiert werden, ein Riesenproblem.

Wieweit kann man die 1,8 Millionen Tonnen in Niedersachsen in zehn Jahren reduzieren?

In den nächsten fünf Jahren wollen wir erreichen, daß die Sonderabfälle nicht auf 2,3 Millionen Tonnen steigen, sondern auf 1,3 Millionen vermindert werden. Zudem setzen wir auf die Sonderabfall-Abgabe, durch die wir Mittel bekommen...

Wenn es so schöne Wege gibt, warum muß man dann noch eine neue Verbrennungsanlage bauen?

Wenn wir unsere Ziele bis 1996 erreichen, bleiben immer noch 1,3 Millionen Tonnen. Einen Teil davon kann man vielleicht wiederverwerten, ein großer Teil kommt auf Deponien oder in spezielle Behandlungsanklagen, aber es bleibt ein Rest von etwa 20-70.000 Tonnen, mit dem man im Moment nichts besseres machen kann als verbrennen. „Thermisch behandeln“ heißt es so schön. Als eine Übergangstechnologie ist das Verbrennen im Moment sinnvoll. Die Frage ist, ob eine zusätzliche Verbrennungsanlage neben den Anlagen, die wir haben, benötigt wird.

Macht es mehr Spaß, Greenpeace-Basisarbeit zu machen oder am Minister-Schreibtisch zu sitzen?

Um den Spaß geht es nicht allein. Aber am schönsten war es auf den Schiffen, wenn wir Aktionen gemacht haben, vielleicht zwei Mal im Jahr. Die reine Büro-Arbeit bei Greenpeace war ähnlich wie die Büroarbeit im Ministerium, auch das war mit langwierigen Verhandlungen verbunden. Insoweit ist die Arbeit vergleichbar.

Wo gibt es mehr Erfolge?

Es gibt in beiden Bereichen Erfolge und sie sind auch beide notwendig. Die Kampagnen, die ich bei Greenpeace gemacht habe, haben zum Teil sechs, sieben, acht Jahre gebraucht, bis Erfolge zu sehen waren. Jetzt habe ich in einigen Bereich Probleme innerhalb von ein oder zwei Jahren lösen können. Manchmal geht es also schneller.

Hat mal bei einem Thema jemand von Greenpeace angerufen und gesagt: „Hör Mal Monika, was machst Du für einen Scheiß...“..

Natürlich macht Greenpeace auch Aktionen gegen das, was die niedersächsische Landesregierung macht, zum Beispiel Statoil, BEB. Ich finde das aber notwendig. Das ist eine notwendige Lobby-Arbeit für die Umwelt, die ich brauche, Allein kann ich nichts umsetzen, dann wäre die Gegenlobby der Wirtschaft zu stark. Wenn sich nicht Leute für die Umwelt engagieren würden, könnte ich in meinem Amt wenig umsetzen.

Fragen: K.W.