MUSIKFEST-HIGHLIGHT: Mit der Stimme tanzen

Ein Musikfest-Highlight: Meredith Monk interpretiert — oder besser: verkörpert — ausschließlich eigene Werke und ist sowohl Sängerin und Komponistin als auch Tänzerin, Choreographin, Regisseurin und Filmemacherin. Die amerikanische Künstlerin arbeitet mit einfachen Silben und Lauten, aus voller Brust intoniert, mit scheinbar endlosen Wiederholungen, die dennoch faszinieren — weil sie sich bei genauem Zuhören als fortschreitende Variationen herausstellen. Durch gezielte winzige Veränderungen entsteht immer wieder Neues, dann wird aus der vollen Stimme mit unglaublicher Virtuosität kindliches Kiecksen, flüsterndes Raunen, versunkenes Summen, jähes Krächzen, humorvolles Lachen.

Meredith Monk sagt von sich, daß sie das Singen noch vor dem Sprechen gelernt habe. Als Kind und als Jugendliche hat sie aber klassisches Ballett trainiert und wollte Tänzerin werden — bis sie fand, daß ihre eigene Stimme ebenso beweglich sein könnte wie ihr tanzender Körper: „Why hasn't anyone ever created dances for the voice?“

Deshalb hat die Multi-Künstlerin sehr bald versucht, Musik, Tanz und Theater zu einer Einheit werden zu lassen. Sie nennt ihre Bühnenstücke 'Operas', ohne allerdings Opern im herkömmlichen Sinn zu komponieren. Ihre Soloperformances und die Stücke aus Gesang und Körpersprache auf kargen Bühnen kommen fast ohne Worte aus — Musik als universelle Sprache, die in der ZuhörerIn direkt die Emotionen anspricht.

In der ersten Hälfte des Programms am Sonntag abend wird die Zwei-Personen-Oper Facing North aufgeführt. Monk hat sie 1990 zusammen mit Robert Een, der schon seit über zehn Jahren Mitglied in Monks Performancegruppe „The House“ ist, entwickelt — Een wird auch in Bremen mit dabei sein. In Facing North, dessen Plot auf den ersten Blick wie die Kompositionen fast simpel erscheint, leben zwei Menschen archaisch-harmonisch in der rauhen, eisigen Natur eines fiktiven Nordens — bis sie von der Zivilisation erfaßt werden.

Der zweite Teil — Songs für Gesang, Keyboard und Cello — besteht aus älteren Stücken von 1973, die Kompositionen der letzten Jahre gegenübergestellt werden, darunter Auszüge aus der im letzten Jahr in Housten, Berlin und Avignon gespielten 'großen' Oper Atlas .

Ob Monks Musiksprache auch für Bremer MusikfestlerInnen verständliche ist, wird sich Sonntag abend im Schauspielhaus herausstellen. Auf jeden Fall dürfen wir gespannt sein. Wilfried Wiemer

Meredith Monk und Robert Een mit Facing North am Sonntag, 20.00h, Goethetheater