Trio Infernale

■ Bei den Paralympics in Barcelona gewannen die deutschen Bogenschützen Mannschafts-Gold

Barcelona (taz) — „Völlig egal, wer da gewinnt, die machen wir nieder“, posaunt Hermann Nortmann selbstbewußt heraus. Karl Christian Bahls und Udo Wolf sind sich ebenfalls sicher: „Wenn wir noch mal 230 schießen, haben wir Gold.“ Die drei haben vor zwei Minuten das Finale der Rollstuhlbogenschützen erreicht und sind schon mit den Gedanken beim nächsten Gegner, der gerade zwischen Italien und Japan ermittelt wird.

Im Einzel gewannen Hermann und Udo schon Silber und Bronze, für den Mannschaftswettbewerb waren die Deutschen also die Favoriten. Mit einer souveränen Leistung im Halbfinale gegen Korea wurden sie dieser Rolle gerecht. Jeder der drei Schützen hat beim Mannschaftsschießen innerhalb von 90 Sekunden drei Pfeile abzufeuern. Drei Durchgänge werden geschossen, die 10 ist das Maß der Dinge. Theoretisch sind demnach 270 Punkte möglich, praktisch sind bis 240 zu erreichen. Ergebnisse über 200 Punkte werden nur von Spitzenteams erzielt.

Wie auch im Nichtbehindertenbereich gehören die USA, Korea, Frankreich, Italien und Deutschland zu den stärksten Nationen. Das liegt daran, daß Bogenschießen eine sehr integrative Sportart ist und sich Behinderte mit Nichtbehinderten — völlig gleichwertig — messen können.

„Bis auf Landesebene können wir problemlos mithalten“, sagt Udo Wolf, der 1991 deutscher Meister der Nichtbehinderten wurde. Ob er denn in Barcelona auch bei den Olympischen Spielen hätte starten können? „Ich habe mich voll auf die Paralympics konzentriert. Eine Olympiaqualifikation wäre sehr aufwendig gewesen und die Chancen waren nicht sehr groß.“ Im Finale gegen die Italiener machten die drei es dann richtig spannend, 74:70 führte man nach dem ersten Durchgang. Im zweiten schossen die Italiener mit 79 das beste Tagesergebnis und kamen bis auf einen Punkt heran. Aber im dritten Durchgang wiederholte das deutsche Triplett die 76 aus der zweiten Runde und gewann schließlich verdient mit 226:218.

Alle drei verbindet ein ähnliches Schicksal. Während Karl Christian Bahls beim Klettern im Gebirge abstürzte, verunglückten Udo Wolf und Hermann Nortmann mit dem Motorrad. Diplomingenieur Wolf hatte es bei den Schützen schon in den A-Kader der Jugendnationalmannschaft geschaft. Seitdem er im Rollstuhl sitzt, ist der Bogen sein Sportgerät. „Das ist doch irgendwie ganz anders als das Geknalle, da brauchst du Feeling.“

Die komplizierten Wettkampfgeräte haben mit den historischen Pfeil und Bogen eines Robin Hood nicht mehr viel gemein. Jeder schießt seine eigenen Pfeile, die sich durch eine ganz spezifische Härte und bestimmte Flugeigenschaften auszeichnen. Auch die Bögen sind unterschiedlich. Der Schütze stellt sich die Visiereinrichtung nach seinen persönlichen Ansprüchen ein. „Mit Udos Bogen könnte ich nie schießen“, meint Teamsenior Bahls. Für den Elektromontierer aus Mecklenburg sind es die ersten Paralympics. Noch nie schoß er vor so vielen Zuschauern, die Stimmung ist toll.

In Seoul sei das anders gewesen, wirft Udo ein. „Da dachtest du, die sind alle bestellt. Einigen Koreanern drückten wir eine deutsche Fahne in die Hand, diese schwenkten sie dann den ganzen Tag.“ In Barcelona dagegen spürt man allerorten einen Hauch von Professionalität. Das Trio Infernale jedenfalls ist rundherum zufrieden. Stephan Eckardt