Der ANC will wieder verhandeln

Südafrikanische Widerstandsorganisation stimmt Gipfeltreffen zwischen Mandela und de Klerk zu  ■ Aus Johannesburg W. Germund

„Die Militanten haben ihre Chance vergeben“, kommentierte gestern ein Funktionär der südafrikanischen Widerstandsbewegung „African National Congress“ (ANC) die überraschende Zustimmung seiner Organisation zu einem Gipfeltreffen von Nelson Mandela mit Südafrikas Staatspräsident Frederik de Klerk. In den letzten Wochen hatten die Verhandlungsgegner in der ANC-Führung den Ton angegeben. Mit der am Donnerstag verkündeten Entscheidung gibt es nicht nur neue Hoffnung für den Verhandlungsprozeß. Die Demonstration gegen Ciskeis Militärchef Oupa Gqozo, bei der 28 Menschen ums Leben kamen und 200 verletzt wurden, war noch von ANC- Funktionären organisiert worden, die an den Erfolg von Demonstrationen und Streiks glaubten. Jetzt haben in der ANC-Führung offenbar die gemäßigten Kräfte um Generalsekretär Cyril Ramphosa wieder das Heft in der Hand.

Doch mit dem jüngsten ANC-Signal sind nach dreimonatiger Krise die alten Probleme noch nicht gelöst: Der ANC beharrt weiterhin auf der Freilassung von etwa 400 politischen Gefangenen. Außerdem besteht ANC-Generalsekretär Cyril Ramphosa auf einer „gründlichen Vorbereitung des Gipfels“, um Ergebnisse sicherzustellen.

Zwar gab Südafrikas Staatspräsident Frederik de Klerk am Mittwoch erstmals zu, daß die Gewaltfrage in Südafrika gelöst werden müsse, bevor eine neue Verfassung ausgearbeitet werden kann. Dennoch könnte sich Südafrikas Regierung durch die Einwilligung des ANC in ihrer unnachgiebigen Haltung der letzten Wochen bestätigt fühlen. Seit dem Massaker von Boipatong Mitte Juni und dem damaligen Abbruch der Verhandlungen hatte Pretoria keiner der Forderungen des ANC nachgegeben und so die Krise erfolgreich ausgesessen.

Die vergangenen Wochen brachten lediglich einige kleine Erfolge. So trafen gestern die ersten 13 von insgesamt 50 UN-Beobachtern ein, die in Zukunft beobachten und vermitteln sollen. Außenminister Pik Botha, bisher ein feuriger Gegner ausländischer Beteiligung am Übergangsprozeß, rief die Vereinten Nationen auf, sich an Verhandlungen zu beteiligen. Auch in südafrikanischen Zeitungen wurden Forderungen nach ausländischer Hilfe laut.

Die Bereitschaft zu einem Treffen zwischen Mandela und de Klerk stellt vor allem das vorläufige Ende eines internen Machtkampfs im ANC dar. Aus ihm geht der Generalsekretär Cyril Ramphosa, ein eher gemäßigter Politiker, mit Unterstützung von Nelson Mandela gestärkt hervor. „Die Führung hat auf die 80er Jahre mit ihren Konfrontationen und ihrem Blutvergießen zurückgeblickt und beschlossen, daß sie dies in der Zukunft nicht will“, erklärte ein ANC-Funktionär, Chris Hani, Generalsekretär der Kommunistischen Partei (SACP). Gleichzeitig verteidigte er seine Äußerungen nach dem Blutbad von Bisho: „Die Toten müssen gerächt werden.“

Zu internen Auseinandersetzungen war es gekommen, weil das ursprüngliche Ziel, mit de Klerk die Bildung einer schnellen Übergangsregierung auszuhandeln, nicht erreicht worden war. Schon im Mai, nach dem Scheitern der zweiten „Konferenz für ein demokratisches Südafrika“ (CODESA), hatte SACP-Mitglied Jeremy Cronin während einer ANC-Präsidiumssitzung verlangt: „Wir sollten CODESA für gescheitert erklären.“ Nelson Mandela zwang jedoch alle Vorstandsmitglieder, sich ausdrücklich dagegen auszusprechen.

Zusammengehalten durch die eher vagen Erklärungen der „Freedom Charter“, treten zunehmend auch ideologische Unterschiede in der weitgefächerten Allianz auf. So verabschiedete der ANC ein gemäßigtes Parteiprogramm, die Bündnispartner SACP und der Gewerkschaftsverband COSATU treten dagegen für eine sozialistische Wirtschaftsordnung ein. Zudem schaffte Generalsekretär Ramphosa es bisher nicht, den Parteiapparat wie erhofft unter eine straffe Führung zu bringen. Noch in diesem Monat wird er deshalb nach Bonn reisen, um sich dort von der SPD in Fragen der Parteiorganisation beraten zu lassen.