Björn Engholm wieder in Klausur

■ Am Wochenende verhandelt der SPD-Vorstand die Petersberger Beschlüsse/ „Präzisierungen“ angemahnt

Es könnte knapp werden, meinen Kritiker wie Befürworter der Petersberger Empfehlungen der SPD. Heute beginnt die Klausur des Parteivorstands in Bad Salzuflen, der über die heiß umstrittene Wende bei Bundeswehreinsätzen und Asyl befinden soll.

Am Sonntag mittag wird der Parteivorsitzende Björn Engholm dann besser wissen, wie und um welchen Preis er sich in der SPD durchsetzen kann. Als sicher gilt vor den Beratungen der 45 Parteivorständler nur, daß sie zu einem Sonderparteitag einladen werden, der in wenigen Wochen vermutlich in Bonn stattfinden wird.

Denn daß die Petersberger Empfehlungen nicht ohne den Segen des höchsten Parteigremiums zum Sofortprogramm der SPD werden können, hat sich schnell herausgestellt. Björn Engholm, der, unterstützt von Fraktionschef Hans-Ulrich Klose, Oskar Lafontaine und der engeren Parteispitze, die überraschenden Beschlüsse eingefädelt hatte, hat die Reaktionen aus der SPD offenbar falsch eingeschätzt.

Vor allem die nach Petersberg erklärte Bereitschaft zur Änderung des Asylrechts hat in der SPD heftige Kritk nicht nur der Parteilinken herausgefordert. Daß die Jusos dagegen opponieren würden, war sicher ebenso einkalkuliert wie die umgehende Forderung des Bezirks Hessen Süd nach einem Parteitag. Doch auch das fast einmütige Ja der Programmarbeitsgruppe „Deutschland 2000“ zu Petersberg zählt wenig gegen die glatte Niederlage auf dem hessischen Landesparteitag.

Auch der erste Bewährungstest in der Fraktion fiel schlecht aus. Engholm, eigens zur Vorstellung von Petersberg eingeladen, gab sich zwar entschlossen, aber auch „sehr betroffen“.

Er hatte angesichts der Wortmeldungen allen Grund, denn die Kritikströmung schien nah der Mehrheit. Bitter vor allem: Amtsvorgänger Hans-Jochen Vogel schloß sich den Einwänden gegen eine Änderung des Artikels 16 an. Klar war nach dieser Sitzung jedenfalls, daß der erhoffte „Befreiungseffekt“ ausgeblieben ist. Fraktionschef Klose mußte zusichern, daß die Fraktion ohne Klärung in der SPD keine Verhandlungsergebnisse mit dem Regierungslager festklopft.

Die Zustimmung aus den oberen Etagen der Partei — Präsidium und Fraktionsführung stehen zu Petersberg — wiegt die Sorgen um das Verhalten einiger Landesverbände nicht auf. Kennzeichnend ist das Verhalten von Rudolf Scharping, Regierungschef in Rheinland-Pfalz und Parteivorstandsmitglied. Er will Engholm unterstützen, plädiert indessen für „Präzisierungen“. Möglicherweise ebnen Neuformulierungen der umstrittenen Passagen den Weg der SPD zum Ja. Sonst braucht sie wohl einen neuen Chef und Kanzlerkandidaten, und diese Aussicht wird manchem im Parteivorstand und vielen Delegierten ganz unbehaglich sein.

Tissy Bruns