Jung ist Töpfer-Berater

■ Vermeindlich »neutraler« Professor arbeitet in Strahlenschutzkommission

Ins Zwielicht gerät nun auch der Hamburger Uni-Prof. Horst Jung. Der Strahlenbiologe hatte im Januar in einem vom Abendblatt veröffentlichten Brief an die Bürger in der Elbmarsch erklärt, er könne „mit Sicherheit“ ausschließen, daß Radioaktivität als Leukämieverursacher in Frage kommt. Von sich selbst behauptete Jung, neutral zu sein: mit den HEW verbinde ihn lediglich ein Stromkabel.

Wie die taz jetzt jedoch herausfand, entspricht dies keineswegs den Tatsachen. Horst Jung ist nicht nur einfacher Uni-Professor, sondern schon seit Anfang 1991 Mitglied der Strahlenschutzkommission (SSK). Die SSK ist das zentrale Berater-Gremium von Bundes-Umweltminister Klaus Töpfer (CDU).

Die SSK gilt als streng Atomfreundlich. Erst im Herbst letzten Jahres machte sie dies erneut deutlich. In den radioaktiv verseuchten Uranabbaugebieten der ehemaligen DDR gilt der maximale Grenzwert von 30 Millirem nicht, der der westdeutschen Bevölkerung in der Umgebung von Atomanlagen jährlich zugemutet werden darf. Die SSK befand, daß ehemalige DDR- Bürger jährlich mit 100 Millirem radioaktiv belastet werden können.

Nicht zuletzt wegen derartiger Entscheidungen befürchtete Jung offenbar, daß seinen Worten in der Elbmarsch nicht viel Glauben geschenkt würde, wenn sein Amt als Töpfer-Berater bekannt würde.

Bemerkenswert ist auch das Verhalten der HEW, Betreiber des AKW Krümmel. Im Februar verteilten die HEW ihre Infoschrift „Kontakte“ in großer Auflage kostenlos in der Elbmarsch. Der „neutrale“ Professor Jung wurde ausführlich zitiert. Doch über dessen Tätigkeit in der SSK ließen auch die HEW die Bürger in der Elbmarsch im unklaren. Unwahrscheinlich, daß die HEW nichts über Jungs hohes — in diesem Fall aber wohl unbequemes — Amt wußten. Aufgabe der SSK ist unter anderem, die Folgen radioaktiver Strahlung aus Atomkraftwerken zu bewerten. Unter Umständen wäre Jung als SSK- Mitglied also sogar für Krümmel zuständig. Dirk Seifert