PREDIGTKRITIK
: »Nur Maria Hilf«

■ Die Radiowallfahrt nach Bernau

Die Glocken läuten im Lautsprecher: Die Wallfahrt nach Bernau gehört zu den guten Traditionen des Bistums Berlin. Für alle, die nicht pilgern wollen oder können, fährt das Radio auf Rädern vor Ort, um das Ereignis live in die Wohnstuben der Daheimgebliebenen zu übertragen. Die Faulen und die Lahmen erfahren zuallererst, was sie alles verpassen: Bernaus Stadtmauern, die schon den Hussiten standhielten, die gotische Marienkirche, die leider im Dreißigjährigen Krieg an die Protestanten verlorenging, und nicht zuletzt die Neubauten in Fertigteil-Bauweise, auch »Arbeiterschließfächer« genannt, wie der Sprecher sachkundig weiß.

Allein am Empfänger, doch keinesfalls von Gott verlassen, wissen wir uns in der Gemeinschaft der Millionen Pilger auf der Welt, die mit ihren Sorgen auf dem Weg zu Gott sind, der heute über Maria führt, da letzte Woche ihr Geburtstag auf dem Programm stand.

Unter geschickter Auslassung einer neuerlichen Diskussion um das Dogma der unbefleckten Empfängnis geht es gleich zur Geburt an sich, die immer einen Neubeginn Gottes darstelle, auch wenn die Welt heute oft so scheine, als stehe sie schon kurz vor ihrem Ende durch Menschenhand. Gott aber legt das Leben auf die Ewigkeit an, er ist stärker als alle Mächte, die das Leben bedrohen, auch wenn man beim Blick durch die Welt da so seine Zweifel haben kann. Täglich wird gestorben, unfreiwillig: In Somalia, im ehemaligen Jugoslawien, wo — so dreht es der Geistliche leicht mißverständlich — Christen verfolgt werden. Aber auch hierzulande gebe es Opfer der Gewalt, worunter auch das ungeborene Leben fällt, das schon im Mutterleib getötet wird. Trotz der Sonderkollekte an diesem Sonntag, lasse sich das Elend nicht gänzlich verhindern, doch es bleibt der Trost, daß auch diese Menschen in Gottes grenzenlose Herrlichkeit eingehen: Er hat mit ihnen noch was vor. Bis es soweit ist, gilt ihnen die besondere Fürsorge der Kirche, die es da ganz mit Maria hält: Mache dein Leben zur Gabe für andere. Nirgends sei die Kirche mehr Kirche als bei den Armen. Das Problem liege bloß darin, daß diese Botschaft heute gar nicht mehr draußen ankomme. Statt dessen werde über Kirchenstrukturen diskutiert, über Geld und Erfolg. Abhilfe für die Kirche verspreche da nur noch die radikale Öffnung hin zu Gott über Maria: Denn auf Maria vertrauen heißt, den Weg aus dem Dunkel ans Licht zu finden. Die Pfade Gottes sind bekanntlich verschlungen, bleibt in dieser Situation als einzige Hoffnung, daß die Kirche sich auf dem Weg vom Dunklen ins noch Finsterere durch nichts beirren läßt. Lutz Ehrlich