Spätes Ende des Fußballkrieges

Haager Gerichtshof legte Grenze zwischen El Salvador und Honduras fest/ Richterspruch akzeptiert  ■ Aus Managua Ralf Leonhard

Der Zwergstaat El Salvador hat sich noch ein Stückchen verkleinert, nachdem der Internationale Gerichtshof in Den Haag einen jahrhundertealten Grenzkonflikt mit dem Nachbarland Honduras beigelegt hat. Das Haager Tribunal bestätigte am Freitag die honduranischen Ansprüche auf einen Großteil der Gebiete, die seit über hundert Jahren von El Salvador verwaltet werden. Während sich die Salvadorenos am Vorabend des Schiedsspruches siegessicher gaben und die Medien von Honduras, die das chauvinistische Klima anheizten, einen „schwarzen Tag“ voraussagten, entschied das oberste Völkerrechtstribunal, daß fünf von sechs Zonen oder zwei Drittel der strittigen 420 Quadratkilometer an Honduras fallen. Das restliche Drittel und die strategisch wichtige Insel Meanguera im Golf von Fonseca nebst einigen Inselchen bleiben bei El Salvador. Die Souveränität über die Gewässer des Golfes und den darunter liegenden Festlandsockel muß, jenseits eines drei Meilen breiten Küstenstreifens, von den drei Anrainerstaaten El Salvador, Honduras und Nicaragua gemeinsam ausgeübt werden.

Die Präsidenten dieser drei Nationen, ihr guatemaltekischer Amtskollege Jorge Serrano , der Premierminister von Belize, George Price, und der Generalsekretär der OAS, Joao Baena Soares, trafen sich Freitag im Grenzdorf El Amatillo, um die offizielle Benachrichtigung des Haager Gerichtes gemeinsam entgegenzunehmen. Begleitet von den Armeechefs und den Erzbischöfen von San Salvador und Tegucigalpa wollten die Staatschefs unzweifelhaft demonstrieren, daß sie sich zur friedlichen Konfliktlösung bekennen. Während in Honduras Freudenfeste über den unerwarteten Ausgang des Spruches gefeiert wurden und die Presse der salvadorianischen Oligarchie indigniert reagierte, priesen die meisten Beobachter die „salomonische Entscheidung“.

Drei Tage Krieg

El Salvador hatte sich in dem mehr als sechsjährigen Verfahren vor allem auf die tatsächliche Kontrolle der strittigen Gebiete berufen, während Honduras das Prinzip des uti possidetis geltend machte: einen römischen Rechtsgrundsatz, der in Lateinamerika allgemein bei Grenzstreitigkeiten angewandt wird. Er besagt, daß die Grenzen aus der Zeit der Unabhängigkeit von Spanien Geltung haben sollen. Der Grenzstreit, der seinen Ursprung im Jahre 1861 hat, war mit ein Grund für den sogenannten Fußballkrieg, der im Juli 1969 in drei Tagen annähernd 5000 Opfer forderte. Spannungen zwischen den Nachbarländern kamen zur Eruption, als die Mannschaft von El Salvador die honduranische beim Ausscheidungsspiel für die Fußballweltmeisterschaft in Mexiko aus dem Rennen warf. Als die honduranische Regierung blutige Ausschreitungen zwischen den Fans zum Anlaß nahm, fünfhundert Familien illegaler salvadorianischer Siedler zu deportieren, fiel die salvadorianische Armee in Honduras ein. Die OAS konnte das Blutvergießen zwar stoppen, doch ein Friedensvertrag kam erst mehr als zehn Jahre später unter dem Druck der USA zustande, als Washington eine Front gegen das sandinistische Nicaragua schmieden wollte. Aber erst 1985, nach dem Scheitern der Versuche, die Grenzziehung auf dem Verhandlungsweg zu regeln, einigten sich die Streitparteien darauf, den Konflikt vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen.

Die Spannungen zwischen den Nachbarländern sind aber bis heute nicht abgebaut. Im mehr als fünfmal größeren Honduras leben viele Menschen in der beständigen Angst vor einem neuerlichen Überfall des hochgerüsteten Nachbarstaates, dessen Armee nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands mit der FMLN-Guerilla neue militärische Aktionsfelder suchen könnte. Leute wie Parlamentspräsident Carlos Montoya, der den Staatschef Rafael Callejas von dem friedfertigen Treffen mit seinem Amtskollegen Alfredo Cristiani abhalten wollte, konnte daher mit dem Applaus der nationalistischen Kreise rechnen. Und auch die Presse schürte seit Wochen die chauvinistische Stimmung.

Zerstörte Dörfer

Während die Insel Meanguera der salvadorianischen Armee als strategischer Vorposten im Golf von Fonseca dient, handelt es sich bei den umstrittenen Landstrichen um wirtschaftlich wenig interessante Gebiete, die mehrheitlich von salvadorianischen Campesinos bewohnt werden. Die wenigen Dörfer waren während des Bürgerkrieges wiederholt Ziel von Attacken der salvadorianischen Armee, zahlreiche Bauern wurden getötet, andere flohen nach Honduras. Die Verbliebenen hoffen, daß mit der Lösung des Grenzkonflikts endlich auch die Zivilisation Einzug hält. Es gibt weder Schulen noch Gesundheitsposten, kein elektrisches Licht und keine Trinkwasserversorgung.