100 Mal: »Das weiß ich nicht!«

Staatsschützer verweigert sich Itzehoer Landgericht im  ■ Gauger/Andresen-Prozeß

Wenn Redensarten Realität würden, wäre es gestern um die Sicherheit im Itzehoer Landgericht schlecht bestellt gewesen. Denn im Saal 28 bogen sich sozusagen die Balken angesichts dessen, was der Hamburger Staatsschützer Günter Thoms zu Protokoll gab, oder besser: eben nicht zu Protokoll gab. Der zweite Hauptbelastungszeuge im Verfahren gegen die beiden Rote-Flora-Aktivisten Ralf Gauger und Knud Andresen, dieser Eindruck drängte sich geradezu auf, nahm das Gericht gehörig auf den Arm.

Auch am 33. Prozeßtag ging es um die Frage, ob die Hamburger Beamten des Landeskriminalamtes (LKA), die Gauger und Andresen im Juli vergangenen Jahres dabei beobachtet haben wollen, als sie Betonplatten auf die Gleise eine Zugstrecke in Pinneberg gelegt haben, die Wahrheit sagen.

Thoms' Kollege Wolf-Dieter Martens hatte bereits eingeräumt, daß es wohl erhebliche Zweifel an ihrer eigenen Wahrnehmung gegeben habe und deshalb die mutmaßliche „Betonplatten-Arie“ vom Staatsschutz im vergangenen September nachgespielt worden war. Dabei hatte geklärt werden sollen, ob die Geheimpolizisten überhaupt gesehen haben konnten, was sie aus 375 Metern Entfernung wahrgenommen haben wollen.

Thoms gab nun gestern zu, daß das angebliche Attentat sogar noch ein weiteres Mal mit verteilten Rollen nachgestellt wurde. Nachdem das erste Mal sein unmittelbarer Vorgesetzer Kalleicher dabei war, wollte sich dann ein Hamburger Staatsschutzchef ein Bild machen. Dann wurde es verwirrend: Während Martens vor Gericht zugegeben hatte, Thoms habe das Betonplatten-Schauspiel vorgeschlagen, behauptete dieser nun, Kalleicher hätte das Spektakel aufgrund von „Neugier“ angeregt. Daher sei Martens bei dem Ortstermin in die Rolle des Plattenlegers geschlüpft und auf die Gleise geschickt worden. Martens hingegen hatte zu Protokoll gegeben, um die angeblichen Wahrnehmungen überprüfen zu können, sei Kalleicher beim Theaterspiel zum Attentäter erkoren worden. Thoms zu dieser Darstellung: „Das ist Sache von Herrn Martens, die er vertreten muß.“

Ansonsten zeigte sich Thoms bei der Vernehmung eher bockig: Ob er später nochmals am Tatort gewesen sei? „Das weiß ich nicht!“. Ob er anschließend noch mal bei der Pinneberger Polizei vorgesprochen habe? „Das weiß ich nicht!“ Oder ob Thoms überhaupt danach noch einmal in Pinneberg gewesen sei? „Das weiß ich nicht!“ Über 100mal die Einheitsfloskel. Selbst auf die Frage, ob er in diesem Jahr schon einmal in Itzehoe gewesen sei: „Das weiß ich nicht!“ Glatte Lüge! Denn auf Hinweis der Verteidigung, daß dieser Prozeß doch in Itzehoe stattfinde und er schon mehrfach geladen worden sei, räumte Thoms ein: „Etliche Male.“ Gegen Staatsschützer Martens hat die Verteidigung bereits ein Verfahren wegen Meineids beantragt, gegen Thoms wird wohl nun ein weiteres folgen. Kai von Appen