It's a bird? It's a plane? It's Super-Schäuble! Von Mathias Bröckers

Ein weltweit geschätzter Kollege ist von uns gegangen: Clark Kent, Redakteur des Daily Planet, hat mehr erreicht, als ein Journalist je erreichen kann: er war Superman. Der Verlag D. C. Comics stellt das Erscheinen von Superman ein, das Appartment in der Clinton Street von Metropolis wird verwaisen, und die Stadt muß sehen, wie sie ihr Chaos künftig ordnet, nie mehr wird sich Clark Kent in Superman verwandeln und das Schlimmste verhüten.

Das Trio der Megahelden ist auf zwei dezimiert, Spiderman und Batman werden allein gegen das Böse kämpfen — letzterer in Gotham City ja neuerdings wieder mit großem Erfolg. Daß es ausgerechnet Superman ist, der aus dem Triptychon der Comic-Helden als erster abstürzt, wundert nicht: Er ist der am wenigsten Phantastische dieser drei, sein Name hat sich derart im allgemeinen Wortschatz festgesetzt, daß es heutzutage schon fast normal ist, Supermann zu sein.

Da sind die übernatürlichen Kräfte, die Clark Kent zu bieten hat, einfach zu wenig, während der Spinnen- und der Fledermaus-Mann schon durch ihre Tierhaftigkeit einfach ein paar Zacken fabelhafter sind als der „stinknormale“ Superman.

Ist Superman ein Opfer von Gorbatschow geworden? Sicher verdankte er seinen Aufstieg dem Propaganda-Einsatz im Kalten Krieg, kämpfte an vorderster „Fuck Communism“-Front, doch in den letzten 25 Jahren bezog er seine Erzfeinde längst schon aus dem Reich des allgemein Bösen und Niederträchtigen, zuletzt, wen wundert's, war er gar in Öko-Diensten unterwegs — sein Niedergang hat nichts mit einer Legitimationskrise zu tun.

Könnte es vielleicht sein, daß sein Mythos schlicht von der Realität eingeholt worden ist, daß seine Mission sich erledigt hat, weil in der Wirklichkeit längst Hunderte von Superman-Doubles unterwegs sind?

Betrachten wir zum Beispiel die jüngere Politikergeneration, wird man den Verdacht nicht los, daß sie alle aus derselben Comic-Fabrik stammen. Während es sich bei den Alten (Reagan, Bush, Thatcher, Kohl) noch um charismatisch-joviale Führerfiguren — den klassischen „guten König“ aus den Märchen — handelt, sind die Neuen (Major, Clinton, Gore) vom Typus geschichts- und gesichtsloser „Macher“: anonyme Helden, deren Superkräfte sich hinter einer alltäglichen Fassade verbergen.

Insofern war Genschman als Comic gut — aber was ist er gegen die Wirklichkeit von Super-Schäuble, Kraken-Krause oder Robo-Rühe, diesem dynamischen Trio in der Bundesregierung, das am Stuhl von Nett King Kohl sägt? Ihre Gesichter wirken wie geklont, ihre Biographien sind austauschbar wie ihr Äußeres — es interessiert letzlich niemanden, wer und was sie sind, wichtig ist, was sie machen.

Wie noch jeder Mythos, der dem Verwirklichungswahn anheimfällt, entpuppt sich auch die Realisierung von Superman als Farce — die anonyme Effizienz der zombifizierten Polit-Helden ist alles andere als „super“.

Und doch zeichnet sich mit ihnen in nuce schon der Wahlkampf der Zukunft ab, bei dem die Kandidaten ihre Charaktermaske mit einem echten Kostüm vertauscht haben und in der Öffentlichkeit nur unter ihrem Inkognito als Superheld auftreten. Dem Super-Schäuble zum Beispiel wäre schon heute zuzutrauen, daß er sein Schäuble-Mobil nicht verläßt — selbst wenn er längst wieder laufen kann.