Klauerei an der Ruhr

■ Dem WDR droht durch die SPD Frequenz-Entzug

Wenn nicht noch die Verfassungsrichter ein Machtwort in Sachen öffentlich-rechtliche Grundversorgung sprechen, dann werden große Teile Nordrhein-Westfalens demnächst nicht mehr von den zuständigen Regionalprogrammen des Westdeutschen Rundfunks versorgt.

Am vergangenen Mittwoch beschloß die Düsseldorfer SPD-Landtagsfraktion, daß dem WDR zwei reichweitenstarke Fernsehfrequenzen entzogen werden sollen. Damit wollen sich die GenossInnen aus einem selbstverschuldeten rundfunkpolitischen Dilemma befreien: Der Informationssender „VOX“ soll auch über die Hausantenne in nordrhein-westfälische Wohnzimmer dringen, damit er möglichst schnell die dringend benötigten Werbereichweiten erzielt. Wäre da nicht noch Sat1...

1987 schrieben die regierenden Sozialdemokraten in ihr NRW-Privatfunkgesetz einen Passus hinein, wie die Vergabe von Privatfernsehl- Lizenzen auf den zwei verfügbaren Frequenzketten zu regeln sei. Danach bekam RTLplus die beste Senderkette, mit der rund zehn Millionen ZuschauerInnen in NRW per Hausantenne erreicht werden können. Die zweite Frequenzkette sollte nach dem Gesetz VOX vorbehalten bleiben. Allerdings konnte bis zur Aufnahme des Sendebetriebs von VOX die Lizenz vorübergehend einem anderen Fernsehveranstalter zugeteilt werden können. Und der hieß Sat1. Und jetzt trauen sich die SozialdemokratInnen nicht mehr, Sat1, streng nach den Vorschriften des Landesrundfunkgesetzes, die Lizenz zu entziehen. Sie befürchten einen Aufstand bei ihren WählerInnen, wenn man ihnen das „Glücksrad“ wieder nähme. Auf der Suche nach Alternativen wurde man beim WDR fündig. Der hatte Anfang der achtziger Jahre damit begonnen, täglich fünfzehn Minuten sein Drittes Programm auseinanderzuschalten, damit die im Lande verteilten Studios aus der Region für die Region berichten konnten. Schon bald stellte sich heraus, daß große Gebiete in NRW gar nicht die für sie bestimmten Regionalprogramme empfangen konnten. ZuschauerInnen im westlichen Ruhrgebiet beschwerten sich darüber, daß sie nur Bilder vom Niederrhein aus dem Studio Düsseldorf sehen konnten, während das Ruhrgebietsprogramm aus dem Studio Dortmund kaum über Bochum hinaus empfangbar war. Mitte der achtziger Jahre wurden daher zusätzliche Sendekapazitäten in Wesel aufgebaut, um die Versorgungslücke zu stopfen. Diese Frequenzen will nun die Landtags-SPD dem WDR wieder wegnehmen, um sie „VOX“ zuzuschanzen. Immerhin mischen hinter den Kulissen von „VOX“ weiterhin die Westdeutsche Landesbank und Bertelsmann mit, das von den Düsseldorfer GenossInnen als Gegenpol zu den konservativen Medienkonzernen gehätschelt wird.

Der WDR-Rundfunkrat hat inzwischen festgestellt, daß durch den Frequenzklau etwa 1,4 Millionen ZuschauerInnen in NRW nicht mehr mit den für sie gedachten WDR- Fernsehprogrammen versorgt werden können, davon allein eine Million im Ruhrgebiet. Ihnen bliebe lediglich, ihre Antennenanlagen mit enormem Kostenaufwand zu verbessern. Die Gesamtkosten für die ZuschauerInnen bezifferte der WDR auf 80 bis 140 Millionen Mark. Intendant Friedrich Nowottny: „Das ist unzumutbar.“ Am Mittwoch erklärte der WDR, daß er sich mit „allen ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln“ gegen den Verlust der Frequenzen wehren wolle. Jürgen Bischoff